Auf einer Almhütte habe ich im Sommer das neue Buch von Martin Kämpchen gelesen, einem Grenzgänger zwischen Indien und Europa: „wahrhaftig sein. 7 Schritte zur Lebenskunst“. Neben einem Text über Freundschaft hat mich ein zweiter besonders berührt: über Trauern und Versöhnung.
Der Brauch in Indien etwa, die Fußsohlen Verstorbener mit roter Farbe, der heiligen Farbe des Glücks, zu bestreichen und auf ein Stück Papier zu drücken, den Abdruck zu rahmen und hinter Glas zu hängen, ist faszinierend beschrieben – das bleibt, wohingegen der Leichnam zerstört, verbrannt und dann in alle Winde zerstreut wird.
Wie trauern eigentlich Jesuiten? Die Frage habe ich mir schon oft gestellt. Weil ich manche Mitbrüder besonders vermisse. Meine Professoren Lother Lies SJ und Walter Kern SJ zum Beispiel: Der eine ist viel zu früh, der andere nach fast zehnjährigem Dahinsiechen gestorben. Wenn ich in Innsbruck bin, besuche ich das Grab von Karl Rahner SJ. Als mein Zimmernachbar Alfons Klein SJ im Juli 2015 verstorben ist, habe ich heftig geweint. Was hätte ich „Klino“ noch alles fragen, was von ihm erfahren und, ja, lernen wollen!
Mit Verstorbenen reden, Gedenktage pflegen, eine Kerze anzünden, erzählen, die eine oder andere Erinnerung wachrufen – das tut gut. Um nicht nur den Verlust zu spüren oder darunter zu leiden, sondern um dankbar zu sein für gemeinsame Wegstrecken.
Oder um loszulassen und für immer abschließen zu können.
Von Gott heißt es beim Propheten Jesaja: „Und selbst wenn … Ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände“ (Jes 49,15-16).
Das tröstet und entlastet: Für Gott bin ich unvergesslich – und behalte meinen Namen, über meinen Tod hinaus.
Dieser Text wurde im Monatsanzeiger November 2016 der Jesuitenkirche St. Michael in München veröffentlicht.