Ist das nur ein Gedanke für fröstelnde Novembertage?

Unser Leben ist begrenzt, kontingent, wir sind alle sterblich. Als ich in der Silvesternacht das Jahr 2018 Revue passieren ließ, habe ich mir gedacht: So selbstverständlich ist das gar nicht, dass ich sagen kann: Du lebst noch – und hast Chemotherapie, Bestrahlung und drei Operationen überlebt! Seit meiner Diagnose im September 2017 ist da einiges zusammengekommen.

Unfälle oder Krankheiten in der Familie, bei Verwandten oder Freunden machen uns bewusst, wie schnell alles »aus« sein kann. Schlagartig oft, über Nacht. Bei dem Vorarlberger Caritas-Seelsorger Elmar Simma las ich: »Wir haben bei der Hospizarbeit einen Leitsatz: ›Endlich leben‹. Wird das ›Endlich‹ betont, dann heißt das, dass unser Leben immer begrenzt und einmal zu Ende ist. Je mehr uns das bewusst ist, umso mehr können wir wirklich ›leben‹, bewusst, dankbar, aufmerksam.«

Ein großartiger, ein heilsamer Gedanke! Achtsamkeit und Dankbarkeit bereichern das Leben. »Endlich leben« – um einmal (hoffentlich) versöhnt zurückblicken und dann (geb’s Gott!) loslassen zu können in dem Bewusstsein, dass mit dem Tod ein neues Leben beginnt.

Meine Erfahrung: Das lässt sich einüben! Aber es ist dafür ein Arbeiten an sich selbst nötig. Sonst bleibt es beim berühmten »frommen Wunsch«. Gut gemeinte Vorsätze pflastern unseren Lebensweg, sie werden in Krisen oder Krankheiten gefasst, an Wendepunkten des Lebens – und gehen oft schnell wieder unter.

Endlich leben: eine Haltung, die alltäglich werden kann, die (unverzichtbar) zu meinem Tagesablauf gehört, wie etwa das Zähneputzen oder die Abendnachrichten, die ich nicht versäumen möchte.

Das Experiment lohnt!

Dieser Text wurde im Monatsanzeiger März 2019 der Jesuitenkirche St. Michael in München veröffentlicht.