Vor fünfunddreißig Jahren – am 30. März 1984 – starb Karl Rahner SJ. Damals war ich Seminarist und gerade für ein Freisemester in Israel. In einem Hotel in Jerusalem hörte ich tags darauf die Todesmeldung. Im Radio.

Neben mir ein österreichischer Jesuit. Er begann zu weinen. Das war mir zuerst peinlich, hat mich dann aber sehr berührt. Georg Sporschill SJ hatte seinerzeit mit strafentlassenen Jugendlichen zu tun – und wurde derart emotional, als er die Nachricht hörte. Was Karl Rahner auslösen kann!

Immer noch bekommen Zeitgenossen feuchte Augen, wenn der Name Rahner fällt: Mitbrüder, ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Menschen, die seine Predigten gehört haben, Besucher seiner Vorträge oder Vorlesungen.

Georg Sporschill SJ machte Rahner mit der Welt obdachloser Jugendlicher in der Blindengasse (»Bliga«) im IX. Wiener Gemeindebezirk bekannt – ihn, den weltweit bekannten Theologieprofessor. Tätowierte, alkoholkranke oder drogenabhängige Jugendliche faszinierten Rahner. Er hatte Respekt vor Seelsorgern und anderen Idealisten, die sich ihrer annahmen. Wenn er in Wien war, zog er eine Übernachtung im Jugendhaus der Caritas dem Hotel oder der Jesuitenzentrale am Dr.-Ignaz-Seipel-Platz vor.

Aus dem Nachlass eines an Krebs verstorbenen, jäh aus einer verheißungsvollen akademischen Laufbahn geworfenen deutschen Jesuiten bekam ich später die ersten sieben Bände von Karl Rahners »Schriften zur Theologie« geschenkt: Auftakt meiner Beschäftigung mit dem Jahrhunderttheologen. Die restlichen neun Bände musste ich mir selber besorgen.

Mein Interesse hält an – und die Lektüre Karl Rahners ist für mich immer noch Bereicherung und Inspiration zugleich. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich einmal als Jesuit das Karl-Rahner-Archiv (2008 bis 2015) leiten und die Rahner Lecture ins Leben rufen würde. Dass ich ins Herausgeberkollektiv der Edition »Sämtliche Werke» Karl Rahners nachrücken sollte. Meine Diplomarbeit befasste sich mit seinem Bändchen »Was heißt Jesus lieben?« Meine Doktorarbeit: hatte »Die Mysterien des Lebens Jesu in der Theologie Karl Rahners« zum Thema.

Seinem Ordensvater legte Karl Rahner in seiner berühmten »Rede des Ignatius von Loyola an einen Jesuiten von heute« (1978) die Worte in den Mund: »Mein Verlangen nach dem Heiligen Land war die Sehnsucht nach Jesus, dem konkreten, der keine abstrakte Idee ist.«

Sonderbarerweise: Den beiden Jesuiten Wolfgang Feneberg († 2018) und Georg Sporschill ist es nie gelungen – trotzdem sie in seinen letzten Lebensjahren engen Kontakt mit Karl Rahner hielten, ihm Artikel für die Zeitschrift »Entschluss« abringen konnten und er von ihrer Bibelschule wusste –, Rahner zu einer Reise ins Heilige Land zu bewegen. Er war nie hier.