»Es ist das Ende des Pontifikats in dem Sinne, dass Franziskus nicht als Reformpapst in die Geschichte eingehen wird, sondern als Bewahrer«: So der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller in einer ersten Reaktion auf die Schlussansprache von Papst Franziskus beim Missbrauchsgipfel im Vatikan im Februar 2019. Sie sei ein »Fiasko«.

Vor sechs Jahren, am 13. März 2013, wurde der Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, zum Papst gewählt. Ähnlich wie bei der Wahl Barack Obamas gewannen viele den Eindruck: »Yes We Can.« Es geht auch anders in der Kirche! Mit seinem bescheidenen Auftreten, mit dem demonstrativen Verzicht auf Machtinsignien überzeugte der neue Papst. Er begeisterte die Massen mit seiner Spontaneität. Innerkirchlich stieß er in manchen Kreisen auf Zurückhaltung: zu volksnah, zu spontan, zu direkt. Die Aura der Unnahbarkeit war futsch. Dieser Papst macht sich gerade nicht rar.

Und 2019? Ein prominenter Missbrauchsfall nach dem anderen: Kardinal Theodore McCarrick (Washington), Kardinal George Pell (Sydney), Kardinal Philippe Barbarin (Lyon). »Franziskus ist in der Defensive«, kommentiert ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Zwar habe sich der Papst viele Sympathien erworben. »Heute steckt er aber fest zwischen Reformern und Bewahrern, in Intrigen und kaum verdeckten Machtkämpfen im Vatikan.« Der einstige Hoffnungsträger wirke merkwürdig gehemmt, eine » Jahrhundertantwort auf ein Jahrhundertproblem« sei auf dem Krisengipfel ausgeblieben.

Franziskus setzte von Anfang an auf gelebte Kollegialität und schwörte die Kirche auf einen synodalen Weg ein. Zwei Anliegen, die von Anfang an zum Markenkern dieses Pontifikats gehören – ein mühsamer Lernprozess für viele. Längst kann der argentinische Jesuit nicht mehr automatisch mit einer wohlwollenden Presse rechnen. Es gibt Widerstand, Intrigen, Skandale. Hinter vorgehaltener Hand deuten manche an, dass sie auf die »biologische Lösung« setzen: Diesen Papst sitzen wir aus, er ist ohnehin bereits 82 …

Ja, es gab Fehleinschätzungen, Kommunikationspannen, personelle Missgriffe, zu schnelle Entscheidungen und zu späte, zu flotte Sager. Der Papst ist nicht fehlerlos.

Trotzdem bleibe ich davon überzeugt, dass sich seit dem 13. März 2013 Großes tut in der römisch-katholischen Kirche. Hoffentlich unumkehrbar. Das Apostolische Schreiben »Evangelii gaudium« vom November 2013 bleibt ein prophetischer Wurf – längst nicht abgearbeitet.

Verspielt Papst Franziskus seine Reformagenda? Scheitert er? Am Widerstand im Weltepiskopat? An sich selbst? In der (Kirchen-)Geschichte sind sechs Jahre ein Wimpernschlag. Reformen brauchen Zeit. Strukturen lassen sich mit einem Federstrich ändern, über Nacht. Mentalitäten, Einstellungen, Gewohnheiten nicht. Franziskus geht es primär um eine Reform der Herzen. Reform durch Evangelisierung. Nur der Blick auf das Leben Jesu bewahrt vor falscher Eitelkeit. Davor, dass sich die Kirche um sich selbst dreht (»autoreferencialidad«) Demütig werden muss die Kirche, überall auf der Welt. Und einfach. Der Papst hat damit begonnen. Mich überzeugt er. Nach wie vor.