Yad Vashem – am Vormittag bin ich zum Mount Herzl aufgebrochen: zur »Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust«. Allen, die den nationalsozialistischen Terror bestreiten, relativieren oder rechtfertigen, wünschte man, einige Stunden an diesem Ort der Erinnerung verbringen zu müssen. Und auf sich wirken zu lassen.

Yad Vashem (3)

Wer Österreicher oder Deutscher ist, kommt in Yad Vashem nicht umhin zu fragen (oder sich fragen zu lassen): Wie konnte das nur passieren? Wieso war das überhaupt möglich: die systematische, industriell betriebene Massenvernichtung von Millionen von Juden?

Antijudaismus in der Theologie war üblich. Antisemitismus im Alltag genauso. Ob in Wien oder in Berlin. Jesus der Jude – war für viele kein Thema. Manche Theologen konnten ihn mühelos »arisieren«.

Und was passiert in Deutschland? Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung warnt vor dem Tragen der Kippa. Wer sich als Jude erkennbar mache, begibt sich in Gefahr. 74 Jahre nach Kriegsende – eine Schande! Es gäbe eine »zunehmende gesellschaftliche Enthemmung und Verrohung«. Jetzt hat Felix Klein seine Warnung zurückgenommen. Und vielerorts gab es – Gott sei Dank – Solidaritätsaktionen. Am Morgen meinte ein Mitbruder im Haus: Alles Propaganda! Habe mir daraufhin gleich zehn neue Kippas besorgt.

Drei Päpste waren bisher in Yad Vashem.

Johannes Paul II. am 23. März 2000: »Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus versichere ich dem jüdischen Volk, dass die katholische Kirche – vom Gebot des Evangeliums zur Wahrheit und Liebe und nicht von politischen Überlegungen motiviert – zutiefst betrübt ist über den Hass, die Taten von Verfolgungen und die antisemitischen Ausschreitungen von Christen gegen die Juden, zu welcher Zeit und an welchem Ort auch immer. Die Kirche verwirft jede Form von Rassismus als ein Leugnen des Abbildes des Schöpfers, das jedem Menschenwesen innewohnt (vgl. Gen 1,26).«

Benedikt XVI. am 11. Mai 2009: »Ich bin gekommen, um in Stille vor diesem Denkmal zu stehen, das zur ehrenvollen Erinnerung an die Millionen der schrecklichen Tragödie der Schoah getöteten Juden errichtet wurde. Sie haben ihr Leben verloren, doch niemals werden sie ihre Namen verlieren: Diese sind fest eingeschrieben in die Herzen ihrer Lieben, ihrer Mitgefangenen, die überlebt haben, und all jener eingeschrieben, die entschlossen sind, niemals zuzulassen, dass eine solche Grausamkeit wieder über die Menschheit hereinbricht. Mehr als alles andere sind ihre Namen für immer in das Gedächtnis des Allmächtigen Gottes eingeprägt.«

Franziskus am 26. Mai 2014: »Da sind wir, Herr, mit der Scham über das, was der als dein Abbild und dir ähnlich erschaffene Mensch zu tun fähig gewesen ist. Denk an uns in deiner Barmherzigkeit.«

Nicht, wie oft behauptet, aus dem Talmud, sondern von Rabbi Israel ben Elieser, genannt Baal Schem Tob (1700–1760), dem Begründer des Chassidismus, stammt das oft verstümmelt oder verkürzt wiedergegebene Wort: »Vergessen verlängert das Exil, in der Erinnerung liegt das Geheimnis der Erlösung.«

Es begegnet auch in Yad Vashem. Christenpflicht: Sich für Erinnerung einsetzen. Auch wenn es weh tut.