Ein Gespenst geht um in Rom – und hierzulande: Es könnte etwas passieren! Von der Amazonas-Synode im Oktober gehen möglicherweise Signale für die Weltkirche aus. Das erklärt den Widerstand und die Polemiken, diesseits wie jenseits der Alpen. Es brennt. Nicht nur in den Wäldern des Amazonasgebietes. Auch in der Kirche. Aber nicht nur am Amazonas. Auch bei uns.

International versammelter Sachverstand

Vom 6. bis 27. Oktober tagt die Amazonas-Synode in Rom. Thema: »Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie«. Es geht zuerst um das Amazonasgebiet, das neun lateinamerikanische Staaten tangiert. Etwa sechzig Prozent des Regenwaldes gehören zu Brasilien, dreizehn zu Peru, zehn zu Kolumbien. Klimawandel, Entwaldung, Brandrodungen in diesem Gebiet haben, ähnlich wie in Indonesien, Auswirkungen auf das Weltklima. Ob man es glaubt oder nicht. Es ist wie beim Golfstrom, dem maritimen Förderband des Planeten – und die Auswirkungen existieren, auch wenn man sie nicht sieht oder anerkennt: Globale Erderwärmung führt zur Abnahme des Salzgehalts im Meerwasser. Die Folge: Hitzewellen und Stürme.

Die Synode ist die logische Folge der Sozial- und Öko-Enzyklika »Laudato si‘«, mit der Papst Franziskus 2015 an die »Sorge für das gemeinsame Haus« appelliert hat. Das Amazonasgebiet, das Kongobecken, die Grundwasservorkommen und die Gletscher werden darin als die sensiblen »Lungen des Planeten« (LS 38) bezeichnet.

Mitglied des 18-köpfigen vorsynodalen Teams, das v.a. das – heftig umstrittene – Arbeitsdokument (Instrumentum laboris) erstellt hat, war der gebürtige Vorarlberger Missionar Erwin Kräutler CPPS, der von 1980 bis 2015 Bischof der brasilianischen Prälatur Xingu war, ein Gebiet, das flächenmäßig größer ist als Deutschland. Kräutler gibt auch als emeritierter Bischof keine Ruhe – und setzt sich weiterhin für die Rechte der Indigenen Völker ein.

Synodenmitglieder von Amts wegen sind die Ortsbischöfe der Region: Amazonas-Bischöfe aus Bolivien, Brasilien, Ecuador, Peru, Kolumbien, Venezuela, Französisch-Guayana, Guayana und Suriname sowie die Vorsitzenden von sieben Bischofskonferenzen. Außerdem Vertreter der Römischen Kurie und die Leitung des kirchlichen Pan-Amazonas-Netzwerks REPAM sowie die Mitglieder des Vorbereitungsteams. Hinzu kommen 15 Delegierte aus verschiedenen Orden und mehrere vom Papst direkt persönlich ernannte Teilnehmer. Ohne Stimmrecht sind Experten und »Auditoren« sowie Beobachter aus Glaubensgemeinschaften und Institutionen. Etwa 20 Indigene können ihre Interessen vertreten.

Die vom Papst ernannten drei Präsidenten der Synode (delegierte Vorsitzende) sind Kardinal Baltazar Enrique Porras aus Venezuela, Kardinal Pedro Ricardo Barreto SJ aus Peru und der brasilianische Kurienkardinal João Braz de Aviz. Kardinal Cláudio Hummes OFM, emeritierter Erzbischof von São Paulo und einst Kardinalpräfekt, kommt die Funktion des so genannten Generalrelators zu. Hummes gilt seit dem Konklave von 2013 als besonderer Vertrauter des Papstes. Er ist zurzeit REPAM-Präsident, dem von der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz (CELAM) gegründeten Netzwerk zum Umweltschutz.

185 Synodenteilnehmer hat Papst Franziskus berufen. Unter den deutschsprachigen Teilnehmern sind die Kardinäle Reinhard Marx, Christoph Schönborn OP und Kurt Koch. Außerdem die Experten Michael Heinz (Adveniat-Hauptgeschäftsführer), Pirmin Spiegel (Misereor-Hauptgeschäftsführer) und Hans-Joachim Schellnhuber (Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung). Enorm viel Sachverstand ist hier versammelt. Hilft das? Bewirkt das etwas?

Unglückspropheten, wohin man schaut

Im Vorfeld der Synode wurden monatelang Befürchtungen geäußert und Warnungen ausgesprochen: Die Synode werde instrumentalisiert, das Arbeitsdokument sei intellektuell dürftig und in sich widersprüchlich. Kardinäle, Bischöfe und Theologen traten auf, die einen neuen »europäischen Kolonialismus« voraussagten: In Europa und Nordamerika brisante Reizthemen wie Zölibat, Ämter und Dienste, Macht und Autorität, Sexualmoral, Geburtenkontrolle würden über die Hintertüre auf die Synode eingeschleust. Eine »linkskatholische Agenda«, wie es dann schnell heißt.

Solche Stimmen erinnern mich an die »Unglückspropheten«, über die sich (der mittlerweile heiliggesprochene) Papst Johannes XXIII. in seiner legendären Konzilseröffnungsrede am 11. Oktober 1962 beschwerte: Sie wittern überall Verfall und Verrat.

Es dauert: Lernprozess Synodalität

Immerhin sah sich Papst Franziskus genötigt, daran zu erinnern: Eine Synode ist kein Parlament. Es geht um das gemeinsame Hinhören und Zuhören. »Ohne Heiligen Geist«, so Franziskus, »ist es keine Synode, gibt es keine Synodalität«. Dass er solche Selbstverständlichkeiten eigens in Erinnerung rufen muss, zeigt, wie gereizt die Lage in der Kirche ist.

Synodalität meint: gemeinsamer Weg, gemeinsame Verantwortung, gemeinsame Lösungssuche – »sub et cum Petro«, wie Franziskus immer wieder betont. Also nicht am Papst vorbei oder über ihn hinweg. Aber, auch das betonte er wiederholt: »Synodalität muss auf verschiedenen Ebenen gelebt werden.« In diesem Lernprozess steckt die Kirche letztlich! Und das geht nicht von heute auf morgen. Synodale Vorgänge brauchen Zeit.

Und wenn von der Amazonas-Synode – ähnlich wie vom Synodalen Weg in Deutschland – Impulse für die Weltkirche ausgehen? Warum denn nicht? Die Zeit der europäischen Bevormundung ist vorbei, auch in der Kirche. Kirche ist immer Weltkirche und nicht eine europäische Kirche mit Exporten in alle Welt, wie Karl Rahner SJ zu sagen pflegte.

Vielleicht also gehen von der Amazonas-Synode Signale aus, für die wir einmal dankbar sein werden? Neue Wege für die Kirche?