Stur wie er ist, konnte ihn auch Corona nicht aufhalten. Er zog seine nach Zypern und Griechenland geplante Reise (2.– 6. Dezember 2021) durch, trotz der verschärften Pandemie-Lage. Ökumene sowie Flüchtlinge und Migranten stehen dabei im Mittelpunkt. Höflichkeitsbesuche bei staatlichen und kirchlichen Funktionsträgern sind dabei unvermeidlich.

Sich nicht an Tragödien gewöhnen

Aber auch diesmal hat Franziskus deutlich gemacht, wo und wofür sein Herz schlägt: Dass sich der Westen an Flüchtlingstragödien gewöhnt, stinkt ihm. Und er kam darauf, vom Redemanuskript abweichend, bei einem Ökumenischen Gebet mit Migranten in Nikosia zu sprechen, indem er diese Haltung »eine Krankheit« nannte. Er wolle »Augen öffnen«.

Appellieren, mahnen, bitten, betteln, beten – das kann der Papst. Mit der Macht des Wortes. Und mit der Macht von Gesten.

Nächstenliebe konkret: 50 Flüchtlinge kommen nach Rom

Er umarmt nicht nur orthodoxe Würdenträger, sondern auch Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern. Menschen vom Rand. Und: Franziskus wird, wie immer, konkret: 50 Flüchtlinge werden im Nachgang der fünftägigen Reise nach Rom gebracht werden, wo sie von der Gemeinschaft Sant’Egidio betreut werden sollen.

Das ist Nächstenliebe konkret, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber abfinden will sich der Papst nicht damit, dass man ohnehin nichts tun könne. Alles, was Franziskus sagt und tut, ist politisch. Die Nuntiatur auf Zypern liegt im Niemandsland. Er sprach auf Zypern vom »schrecklichen Riss«, unter dem das Land seit Jahrzehnten leidet. Türken und Griechen und UN-Soldaten in der Pufferzone. Sind Erdgasfelder im Meer wichtiger als Menschen?

»Nicht Fremde, sondern Mitbürger«

Eine aus Sri Lanka stammende Frau sagte, sie müsse immer wieder ankreuzen: Ausländerin, Opfer, Asylwerberin, Flüchtling, Migrant. Sie wolle aber schreien: Ich bin Person, Schwester, Freundin, Gläubige, Nachbarin. Die Reaktion des Papstes, der sich nicht um Diplomatie schert: »Ihr seid nicht Fremde, sondern Mitbürger«. Darin sieht er »die Prophezeiung der Kirche: eine Gemeinschaft, die – bei allen menschlichen Grenzen – Gottes Traum verkörpert«.

Diesen Traum gibt er nicht auf. Mit Spaltungen will er sich nicht abfinden: weder in der Politik noch in der Ökumene noch in seiner eigenen Kirche.

Wer vor der Realität kapituliert und sich ins vermeintlich Unvermeidbare und Unveränderliche fügt, gibt in seinen Augen den Glauben auf: den Glauben daran, dass es – auch realpolitisch – anders geht. Am Sonntag (5. Dezember) wird der Papst, nach 2016 zum zweiten Mal, auf der Insel Lesbos mit Flüchtlingen zusammentreffen: im Aufnahmezentrum Mytilene.