Fünf der neuen Kardinäle können wegen Überschreitung der Altersgrenze nicht an einer Papstwahl teilnehmen. Die Zahl der Wahlmänner ist damit auf 132 gestiegen.

Unter den neuen Purpurträgern sind, was die geringste Überraschung ist, zwei Präfekten einer vatikanischen Kongregation und der Leiter des Governatorats (Lazarus You Heung-sik, Fernando Vergez Alzaga, Arthur Roche). Außerdem einige Erzbischöfe (Marseille, Goa und Damao, Hyderabad, Rio de Janeiro). Zudem, wie für Franziskus üblich, echte Überraschungen – und einige Persönlichkeiten, deren Lebenswerk mit der Ernennung ausgezeichnet wird.

Von Osttimor bis zum Amazonas, von San Diego bis Como

Ins Auge stechen Ernennungen, mit denen Franziskus einen ganz bestimmten Akzent setzt, weil er damit eine Situation kommentiert oder bereinigt: Etwa mit der Ernennung von Peter Okpaleke, dem Bischof von Ekwulobia in Nigeria, der zuerst Bischof von Ahira (2012) war, dort aber abgelehnt wurde, auch nach einer Intervention von Franziskus, und daraufhin 2020 nach Ekwulobia transferiert wurde. Oder der Erzbischof von Manaus im brasilianischen Regenwald, der Franziskaner Leonardo Ulrich Steiner, der in der Amazonasregion eine wichtige Rolle spielt. Oder der Erzbischof von Hyderabad in Indien, Anthony Poola, mit dem zum ersten Mal ein Angehöriger der Dalit, die einst als »Unberührbare« und außerhalb des Hindu-Kastensystems standen, die Kardinalswürde erhält. (Nur zwei der 31 Erzbischöfe Indiens und elf der 180 indischen Bischöfe gehören den Dalit an.)

In San Diego (USA) gab es bisher noch nie einen Kardinal: Doch der pastorale Hirtenstil von Robert Walter McElroy, etwa bei der Debatte um den Kommunionempfang von Politikern, die von der Kirche abweichende Positionen vertreten, imponierte Franziskus. Auch der Bischof von Como war bisher nie Kardinal: Oscar Cantonis Akzente in der Berufungspastoral fielen dem Papst auf. Damit sind Signale gesetzt!

Mit dem Salesianer Virigilio Do Carlo Da Silva zieht Osttimor in den exklusiven Kreis der Papstwähler ein. Richard Kuuia Baawobr, Bischof von Wa und zuvor Generalsuperior der Weißen Väter, repräsentiert künftig Ghana. Mit William Geh Seng Che, dem Erzbischof von Singapur, ist auch der multinationale Stadtstaat im Konklave vertreten. Der Erzbischof von Asunción (Paraguay), Adalbert Martínez Flores, wird ebenfalls einen roten Pileolus (Scheitelkäppchen) tragen dürfen.

Der jüngste der neuen Kardinäle ist erst 48: der Italiener Giorgio Marengo. Er wirkt seit 2020 als Apostolischer Präfekt in Ulaanbaatar (Mongolei).

Das Alter der 16 neuen wahlberechtigten Kardinäle liegt zwischen zwischen 47 und 77, einige werden also weit über zehn Jahre hinaus, der jüngste von ihnen mehr als 30 Jahre lang, an einem Konklave teilnehmen können.

»Verdiente Kirchenmänner« ohne Papstwahlrecht sind auch diesmal unter den Neuen: Jorge Enrique Jimenez Carvajal von Cartagena (Kolumbien), Lucas Van Looy von Gent (Belgien), Arrigo Miglio von Cagliari( Sardinien), der Jesuit und Kirchenrechtler Gianfranco Ghirlanda von der Päpstlichen Universität Gregoriana sowie der Bibelwissenschaftler Fortunato Frezza, Kanoniker am Petersdom. Girlanda und Miglio sind beide 79, werden aber im Juli 80 und verlieren damit das Papstwahlrecht. Die anderen drei Neuen sind bereits 80.

Ein internationales Kollegium, das Weltkirche abbildet

Der Papst ernennt (»kreiert«), wen er will. Keiner kann ihm dabei Vorschriften machen. Aber er enttäuscht natürlich auch und muss es, wenn er früheren Gewohnheiten und Automatismen nicht folgt und ehemals »gesetzte« Erzbischöfe leer ausgehen (z. B. Venedig, Los Angeles, Philadelphia).

Im Moment zählt das Kardinalskollegium 208 Mitglieder: 117 Wähler und 91 Nichtwähler (die älter als 80 Jahre sind). Ende August wird die Zahl auf 229 steigen, von denen 132 in ein Konklave einziehen könnten. Elf Wahlmänner stammen dann noch auf dem Pontifikat von Papst Johannes Paul II., 38 aus dem von Benedikt XVI. Papst Franziskus hat bisher in seinen neun Amtsjahren 113 Kardinäle ernannt, von denen dann 83 wahlberechtigt sind.

Die geographische Verteilung zum Stichtag 27. August 2022: Europa wird 107 Kardinäle haben (davon 54 Wahlmänner), Amerika 60 (davon 38 Wahlmänner), Asien 30 (davon sind 20 wahlberechtigt), Afrika 27 (davon 17 Wahlmänner), Ozeanien fünf (davon drei Wahlmänner). Die Europäer stellen längst nicht mehr, wie früher üblich, die Mehrheit. Das trägt dem Rechnung, was Kirche ist und sein will: Weltkirche und nicht eine europäische oder eurozentrierte Kirche mit Exporten in aller Welt.

Die Zahl der wahlberechtigten Kardinäle von 132 wird sich im Jahr 2022 noch ändern, weil diese sechs Kardinäle ihr 80. Lebensjahr vollenden: der Mexikaner Norberto Rivera Carrera (6.6.1942), der Salvadorianer Gregorio Rosa Chávez (3.9.1942), der Kolumbianer Rubén Salazar Gomez (22.9.1942), der Italiener Giuseppe Bertello (1.10.1942), der Franzose André Vingt-Trois (7.11.1942) und Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga SDB (29.12.1942) aus Honduras. 2023 erreichen acht weitere Kardinäle des Jahrgangs 1943 die Altersgrenze und scheiden damit aus dem Kreis der Wähler aus.

Aber auch Kardinäle jenseits der 80 bleiben berechtigt, am Vorkonklave teilzunehmen, in dem, wie es im März 2013 der Fall war, vor der eigentlichen Papstwahl eine Art Kassasturz erfolgt: Wo steht die Kirche? Wo soll sie hin? Welchen Papst braucht die Kirche jetzt? Franziskus hat, wie bei den Synoden ersichtlich, immer dafür geworben, mit paulinischem »Freimut« Dinge auf den Punkt zu bringen und nicht zum den heißen Brei zu reden, aus welchen Rücksichtnahme auch immer.

Wer als Papst ins Konklave einzieht . . .

Internationalisierung garantiert zwar nicht automatisch, dass damit mehr Vielfalt an Kulturen und Theologien zur Geltung kommt (erst recht nicht, wenn die Ausbildung in Europa erfolgte). Aber die Voraussetzung dafür ist geschaffen.

Die neuen Kardinäle werden am Samstag, dem 27. August, ins Kardinalskollegium aufgenommen. ein ungewöhnliches Datum. Aber damit können sie 29. und 30. August an dem Konsistorium teilnehmen, das Franziskus einberufen hat, um seine Apostolische Konstitution »Praedicate Evangelium« mit allen Kardinälen zu besprechen.

Einer der Kardinäle wird einmal – der neue Papst sein. Aber schon oft hat sich bewahrheitet: Wer als Papst ins Konklave einzieht, kommt wieder als Kardinal heraus. Franziskus steht im 86. Lebensjahr. Er wird im Amt bleiben, solange es geht. Mit seinem umstrittenen Stil prägt er die Kirche und die Kurie, die Theologie und die Pastoral – weit über sein Pontifikat hinaus. Gott sei Dank!

(Ergänzt am 31. Mai 2022)