Die Kreierung neuer Kardinäle – 16 der 20 sind unter 80 und damit berechtigt, an einem Konklave teilzunehmen – und das sich daran anschließende Konsistorium hat vorab Anlass zu vielfältigen Spekulationen gegeben. Es war das achte Konsistorium seit März 2013.
Das Datum war ungewöhnlich genug: mitten in der ärgsten Sommerhitze Roms. Am Wichtigsten ist: Das Kardinalskollegium wurde internationaler, die Europäer sind (endgültig?) zur Minderheit geworden.
Die Spekulationen der Auguren
Nervös machte auch der Umstand, dass Papst Franziskus am Tag nach der Kreierung, am Sonntag (28.8.) in die Abruzzenstadt L’Aquila geflogen ist, um an der Ablass-Wallfahrt der »Perdonanza Celestiniana« teilzunehmen. Sie wurde von Papst Cölestin V. eingeführt, jenem Papst, der 1294 freiwillig zurückgetreten ist. Außerdem traf Franziskus Opfer des Erdbebens von 2009. Seine Predigt: sehr authentisch.
Benedikt XVI. hatte 2009 sein Pallium am Grab Cölestins deponiert, was im Nachhinein als Zeichen für seinen Mitte Februar 2013 völlig überraschend angeküdigten Rücktritt gewertet wurde. Würde Franziskus einen ähnlichen Weg gehen? Verkraftet die Kirche zwei lebenende ehemalige Päpste? Die Auguren hatten Arbeit …
Und auch sonst: Kardinal Woelki kam ebenso wie Kardinal Marx – so what? Für Aufregung sorgte die Teilnahme des vor zwei Jahren aus allen Ämtern entlassenen ehemaligen Kurienkardinals Angelo Becciu, der seine »Rehabilitierung« vorab selbst publik gemacht hatte.
Die konklaveberechtigten Kardinäle sind internationaler geworden
Und jetzt: Nichts davon! Es ging, wie angekündigt, um die in »Praedicate Evangelium« festgeschriebene Kurienreform. Am Montag und Dienstag traf sich Franziskus mit den Kardinälen. 227 gibt es im Augenblick, 132 davon sind wahlberechtigt. Spekuliert worden war über Änderungen an der Konklaveordnung, an der amtierende Päpste immer wieder basteln.
Es rumorte also – umsonst. »Großes, aber keinen Rücktritt« hatte ein Vatikan-Insider prophezeit. Und nicht einmal das ist passiert!
Bleiben wir bei den Tatsachen: Im Lauf dieses Jahres werden noch sechs Kardinäle altersbedingt ihr Papstwahlrecht verlieren, weil sie 80 werden: Gregorio Rosa Chavez aus El Salvador (3. Sept.), Rubén Salazar Gómez aus Kolumbien (22. Sept.), die beiden Italiener Giuseppe Bertello (1. Okt.) und Gianfranco Ravasi (18. Okt.), André Vingt-Trois aus Frankreich (7. Nov.) sowie Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga aus Honduras (29. Dez.). Letzterer leitet auch den 2013 installierten Kardinalsrat.
Von den im Augenblick 132 wahlberechtigten Kardinälen sind 83 von Franziskus kreiert worden, 38 stammen aus der Amtszeit von Benedikt XVI. und noch elf aus der von Johannes Paul II. Altersbedingt rutscht die Zahl der Wahlmänner mit Jahresende automatisch auf 126 ab. Ob Kardinal Angelo Becciu sein Papstwahlrecht wieder ausüben darf, ist zur Stunde noch unklar.
Sein Feld bestellt
Natürlich: Franziskus wird im Dezember 86 Jahre alt. Es plagen ihn gesundheitliche Probleme. Sie zwangen ihn bereits in Kanada, sein Reispeprogramm abzuspecken. Im September fliegt er zu einer internationalen Konferenz nach Kasachstan.
Das letzte Konsistorium, zu dem fast 200 Kardinäle aus aller Welt (also auch solche, die nicht mehr konklaveberechtigt sind) anreisten, machte deutlich: Franziskus hat sein Feld bestellt. Wenn er zurücktreten sollte, hat er für sich bereits klargestellt, dass er sich als »emeritierter Bischof von Rom« ansprechen lassen werde, also nicht als »papa emerito«. Für weitere Überraschungen – und Irritationen – ist gesorgt. Es wäre nicht Franziskus . . .
Gewarnt hat Franziskus die Kardinäle vor »falschen Sicherheiten«. Seine Predigt am Dienstag im Gottesdienst mit den neuen Kardinälen und dem Kardinalskollegium endete mit den Worten: »Und das ist vielleicht das Maß, das Thermometer unseres spirituellen Lebens. Ich wiederhole die Frage, lieber Bruder, liebe Schwester, die wir hier zusammen sind: Wie steht es um deine Fähigkeit, zu Staunen? Oder bist du so daran gewöhnt, dass du sie verloren hast? Bist du noch in der Lage, zu staunen?« Also: Avanti!