Weichenstellungen: 21 neue Kardinäle, 18 dürfen wählen!

  • Kardinäle zur Papstwahl nach Rom gerufen

Na also, ich lag nicht falsch mit meinem »Riecher«, dass im Herbst 2023, spätestens im Frühjahr 2024 mit neuen Kardinälen zu rechnen ist, da die Anzahl der wahlberechtigten Kardinäle bis zum 31. Dezember 2023 auf 114 rutschen würde: Heute mittag, am Ende des Angelus-Gebetes (Bolletino quotidiano vom 9. Juli 2023 downloaden), hat Papst Franziskus angekündigt, dass er 21 neue Kardinäle kreiert hat, die in einem Konsistorium am 30. September ihr rotes Birett überreicht bekommen sollen. 18 von ihnen sind jünger als 80 – und damit berechtigt, an einem Konklave teilzunehmen.

Franziskanische Akzente  . . .

Nicht weiter überraschend: Drei Präfekten vatikanischer Dikasterien sind darunter, nämlich Robert Prevost OSA (Dikasterium für die Bischöfe), Claudio Gugerotti (Dikasterium für die orientalischen Kirchen) und der Erzbischof von La Plata (Argentinien), der im September den Jesuitenkardinal Luis Francisco Ladaria Ferrer als Chef des Dikasteriums für die Glaubenslehre ablösen wird.

Wie schon 2016, als Franziskus den Nuntius in Syrien, Mario Zenari, zum Kardinal ernannte, sind auch diesmal wieder zwei Vertreter des Diplomatischen Dienstes darunter: der Schweizer Emil Paul Tscherrig, der den Papst in der Republik Italien vertritt; und der Nuntius in den USA, Christophe Louis Yves Georges Pierre, ein Franzose.

Ein bekannter Name ist auch der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa OFM, der zuvor Kustos des Heiligen Landes war. Vier nominierte Kardinäle kommen aus Bistümern: Grzegorz Ryś (Erzbischof von Łódź/Polen), José Cobo Cano (Erzbischof von Madrid/Spanien), François-Xavier Bustillo OFM (Bischof von Ajaccio/Korsika) und Américo Manuel Alves Aguiar (Weihbischof in Lissabon/Portugal), der für den Weltjugendtag im August 2023 verantwortlich ist.

Neue afrikanische Kardinäle werden der Erzbischof von Kapstadt, Stephen Brislin, außerdem Stephen Ameyu Martin Mulla, der Erzbischof von Juba im Südsudan sowie Protase Rugambwa, Erzbischof-Koadjutor von Tabora (Tansania). Asien wird künftig auch repräsentiert werden vom Bischof von Hongkong, dem Jesuiten Stephen Chow Sau-Yan sowie von Sebastian Francis, dem Bischof von Penang (Malaysia). Lateinamerikaner sind Ángel Sixto Rossi SJ (Cordoba/Argentinien) und Luis José Rueda Aparicio (Bogota/Kolumbien).

Außerdem wird der 60-jährige spanische Salesianer Ángel Fernández Artime Kardinal, der seit 2014 Generaloberer seines Ordens ist und davor von 2009 bis 2013 die Provinz Südargentinien leitete. Während dieser Zeit hat er mit dem damaligen Erzbischof von Buenos Aires und heutigen Papst zusammengearbeitet.

Drei neue Kardinäle sind über 80 Jahre alt und können daher nicht an einem Konklave (aber am Vorkonklave) teilnehmen: der pensionierte Vatikandiplomat und langjährige Sekretär im Päpstlichen Migrantenrat, Agostino Marchetto (82), außerdem der Alt-Erzbischof von Cumana/Venezuela, Diego Rafael Padrón (84), sowie der 96-jährige (!) Luis Pascual Dri OFMCap., ein Kapuzinerpater, der seit Jahrzehnten als Beichtvater in einem Marienheiligtum in Buenos Aires im Einsatz ist und in argentinischen Medien als »Beichtvater des Papstes« bezeichnet wird. Er und Pater Artime haben bisher keine Bischofsweihe erhalten.

Weitere Internationalisierung

Zu den im Moment 121 wahlberechtigten Kardinälen kommen also ab 30. September 2023 18 neue dazu, womit das Wahlkollegium auf 139 Papstwähler anwachsen wird. 2024 werden altersbedingt zwölf Purpurträger ausscheiden, im Kalenderjahr 2025 folgen ihnen dreizehn weitere. Unvorhersehbare Todesfälle oder vorzeitige Rücktritte nicht berücksichtigt, würde das aktive Kardinalskollegium am 31. Dezember 2024 somit aus 127 Wahlmännern bestehen.

Franziskus blieb sich treu und setzte unbeirrt – auch wenn er damit Aggressionen oder Kopfschütteln auslöst – seine eigenen Akzente. Er hat erneut traditionellerweise »gesetzte« Erzbischöfe übergangen, die früher oder später fast automatisch mit dem Purpur rechnen konnten: Mailand, Venedig und Genua gingen wieder leer aus, genauso wie Los Angeles, San Francisco und Philadelphia.

Mit der Kreierung von Kardinälen setzt ein Papst über seine Amts- und Lebenszeit hinaus nicht nur Akzente. Er steuert damit in gewisser Weise auch sein geistiges Erbe. Franziskus wird im Dezember 87. »Ancora vivo« (Ich lebe noch), sagte er beim Verlassen der Gemelli-Klinik neulich. Diese Ernennungen sind ein kräftiges Lebenszeichen! Seine »Handschrift« ist unverkennbar. Der »Senat« des Papstes wird bunter und jünger! Die Mehrheit der 18 wahlberechtigten Kardinäle ist jünger als 70 (49, 54, 57, 59, 60, 62, 63, 64, 66 und 67 Jahre), nur drei sind älter (71, 76, 77). Damit werden viele mehr als zehn, etliche über 20 Jahre an einem Konklave teilnehmen können. Franziskus hat – wieder einmal – Weichen gestellt.

Aus Jesuitensicht: Zwei Jesuitenkardinäle werden in den nächsten Monaten 80 und scheiden damit als Wahlmänner aus: am 12. Februar 2024 Pedro Ricardo Barreto Jimena (Erzbischof von Huancayo/Peru) und am 19. April Luis Ladaria (Vatikan). Zu den Jesuitenkardinälen Michael Czerny (* 1946) von der Römischen Kurie und Jean-Claude Hollerich (* 1958), dem Erzbischof von Luxemburg und Generalrelator der Bischofssynode im Oktober 2023, kommen dann wieder zwei neuernannte Jesuiten (Argentinien und Hongkong) dazu.

Die künftigen Papstwähler müssen sich erst kennenlernen

Absehbar ist: In einem künftigen Vorkonklave, an dem auch über 80 Jahre alte Kardinäle teilnehmen dürfen (sogenannte Generalkongregationen), werden sich viele Kardinäle erst einmal kennenlernen müssen.

Andrea Riccardi, Mitbegründer der Gemeinschaft Sant’Egidio, machte bereits 2021 einen Vorschlag in seinem Buch »La chiesa brucia«, das 2023 auf Deutsch herauskam: »So, wie die Feier des Konklaves heute aufgebaut ist, bräuchte man allerdings längere Fristen, einen größeren Abstand vom Druck der Medien und im Vorfeld mehr als die bislang üblichen, zeitlich knapp bemessenen Generalkongregationen. ( . . . ) Die zum Konklave versammelten Purpurträger müssen die Gelegenheit haben, ihre Überzeugungen und Entscheidungen spirituell und persönlich reifen zu lassen, einander kennenzulernen und die Probleme im geschützten Raum der Kardinalsversammlung brüderlich zu debattieren. Wäre es nicht vielleicht ratsam, die ›Klausurzeiten‹ zu verlängern, damit fernab vom Druck der Medien und der Hektik der Außenwelt in einem Klima der Spiritualität und sachlichen Problemdiagnose eine echte Auseinandersetzung und ein besseres Kennenlernen stattfinden können? Wenn die Kardinäle mehr Zeit hätten, den Papst zu wählen, wäre das kein Zeichen einer Spaltung der Kirche, sondern Ausdruck eines ernsthaften Abwägens.« (Andrea Riccardi, Die Kirche brennt. Krise und Zukunft des Christentums. Würzburg 2023, 221 f.).

Die Nationalität des Papstes spielte beim letzten Konklave, anders als 2005, kaum mehr eine Rolle. Mit der Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio haben die Kardinäle 2013, so hoffen manche, eine Reihe nichteuropäischer Päpste eröffnet. Andere meinen, auf den umtriebigen, »unberechenbaren« Papst »vom anderen Ende der Welt«, den ersten Jesuitenpapst der Geschichte, sollte wieder ein Italiener folgen, der »Ruhe« in die Römische Kurie bringt, die Franziskus wiederholt reizte. Immer wieder haben Päpste den Apparat gegen sich aufgebracht. Der wiederum setzte oft darauf: Päpste kommen und gehen, wir bleiben.

Neue Kardinäle sind neue Papstwähler. Und den Heiligen Geist gibt es ja auch noch!

2023-07-14T08:18:32+02:009. Juli 2023|
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