Die Personalie vom 1. Juli 2023 überraschte manche. Und irritiert mit Sicherheit Kritiker des Papstes: Der argentinische Erzbischof Víctor Manuel Fernández (* 1962) wird neuer Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre und, damit automatisch verbunden, auch Präsident der Päpstlichen Bibel- und der Internationalen Theologenkommission. Er löst Luis Francisco Ladaria Ferrer SJ ab. Die Amtsübergabe soll im September stattfinden.

Im Gespräch gewesen war für die Position gerüchteweise auch ein deutscher Diözesanbischof – vatikanischer Kaffeesudleserei. Das Internetportal »katholisch.de« (Burkhard Jürgens, kna) kommentierte: »Wie die jetzige Wahl ankommt, steht dahin. Franziskus könnte jedenfalls kaum jemand Besseren finden, um sein theologisches und seelsorgliches Programm fortzuschreiben.«

Ein Papstvertrauter

Der neue Präfekt, der beim nächsten Konsistorium mit der Ernennung zum Kardinal rechnen kann, ist ein enger Papstvertrauter. Die beiden arbeiteten bereits 2007 intensiv zusammen, als Jorge Mario Bergoglio in Aparecida (Brasilien) auf der CELAM-Konferenz mit der Redaktion des Schlussdokuments betraut wurde, das ihn maßgeblich prägte und dessen Spuren bis in »Evangelii gaudium« (2013) und andere päpstliche Texte nach zu verfolgen sind.

2008/09 Dekan der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität von Argentinien, deren Präsident er von 2011 bis 2018 war, ernannte Papst Franziskus Fernández zwei Monate nach seiner Wahl im Mai 2013 zum Titularerzbischof – ungewöhnlich für einen Universitätspräsidenten. Viele sahen darin eine Schutzmaßnahme für Fernández, der als einer der Ghostwriter des Papstes gilt. 2014/15 nahm er an den Bischofssynoden über die Familie teil. Im Juni 2018 wurde Fernández zum Erzbischof von La Plata ernannt. In der Römischen Kurie war er seit Juni 2018 Mitglied des Dikasteriums für die Kultur und die Bildung, der ehemaligen Bildungskongregation.

Fällige Personalrochaden

Da Kardinal Ladaria im April 2024 sein 80. Lebensjahr vollendet, konnte die Personalie nicht wirklich überraschen. Er scheidet dann auch aus dem Kreis der Papstwähler aus, wie zwei Monate vorher der Erzbischof von Huancayo (Peru), Pedro Riccardo Barreto Jimena SJ. Da der emeritierte Erzbischof von Lima, Kardinal Juan Luis Cipriani Thorne, am 28. Dezember 2023 sein Papstwahlrecht verliert, ist Peru spätestens im nächsten Februar auch nicht mehr in einem Konklave vertreten.

Die Zahl der wahlberechtigten Jesuitenkardinäle ist dann ab Februar 2024 auf zwei reduziert: Michael Czerny (Vatikan) und Jean-Claude Hollerich (Luxemburg). Da im Kalenderjahr 2024 insgesamt 13 Kardinäle des Jahrgangs 1944 mit Vollendung des 80. Lebensjahres ihr Papstwahlrecht verlieren und zuvor bis zum 31. Dezember 2023 weitere sieben Kardinäle des Jahrgangs 1943 ausscheiden, ist ein neues Konsistorium im Lauf des Jahres 2023 oder spätestens im Frühjahr 2024 sehr wahrscheinlich geworden. Momentan gibt es 121 Wahlmänner, die sich aber bis Jahresende 2023 auf 114 reduzieren. Gäbe es keine neuen Kardinäle bis Ende 2024, würde ihre Zahl, unvorhersehbare Sterbefälle nicht mit eingeschlossen, auf 101 fallen.

Manche werten die Entscheidung vom 1. Juli 2023 als Faktum, dass der gesundheitlich angeschlagene Papst, der im Dezember sein 87. Lebensjahr vollendet, sein Feld bestellt. Auch zwei Mitglieder des Kardinalsrates (K9), den Franziskus im Frühjahr 2023 neu besetzt hat, werden 2024 ihr 80. Lebensjahr vollenden, beide sind amtierende Diözesanbischöfe (O’Malley: Boston, Gracias: Bombay). Auch mehrere Kurienposten werden vakant.

Wie schon öfter gesagt: Nachrufe auf den Papst sind verfrüht, so sehr sich manche in der Kirche und im Vatikan solche wünschen. Und Franziskus: »Ancora vivo« (Ich lebe noch), sagte er neulich, als er die Gemelli-Klinik verließ.

Irritationen aus Rom

Staub aufgewirbelt hat zuletzt, dass dem zum Dekan der Phil.-Theologischen Hochschule Brixen gewählten Moraltheologen Martin M. Lintner OSM vom Vatikan untersagt wurde, seine Wahl anzunehmen. Seine Lehrbefugnis ist davon zwar nicht berührt. Aber diese römische Verweigerung irritiert. Und lässt viele fragen: Wer hat das Heft in der Hand im Vatikan? Und warum gibt nach wie vor derartige Irritationen – die, wie andere Ereignisse, auf den Papst zurückfallen?