Stille bewegt. Warum? Und wozu? In der Stille tut sich was. Bevor man es nicht versucht hat, weiß man nicht was. So ist es auch bei der Weltsynode, die am 4. Oktober beginnt. Papst Franziskus dringt darauf, dass sie in einer geistlichen Atmosphäre abläuft.

Ökumenische Einstimmung

Samstag, 30. September 2023, Petersplatz: Vormittags wurden 21 neue Kardinäle kreiert. Abends fand ein ökumenisches Gebet statt, bei dem für das Gelingen der Weltsynode gebetet wurde.

Initiiert wurde die Vigil mit dem Titel »Together« von der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. Neben Papst Franziskus beteiligten sich u.a. auch der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I., der Primas der Anglikaner, Erzbischof Justin Welby von Canterbury und das Oberhaupt der Syrisch-Orthdoxen Kirche, Patriarch Ignatius Ephrem II. von Antiochien. Auch Vertreterinnen und Vertreter der evangelischen Kirchen waren dabei, ebenso wie die Altkatholiken, die durch Erzbischof Bernd Wallet (Utecht) vertreten.

Papst Franziskus als geistlicher Lehrer: die Gabe des Hörens

In seiner Predigt ging Franziskus auf die Bedeutung der Stille ein: »Heute Abend haben wir Christen in Stille vor dem Kruzifix von San Damiano verweilt (…). Es war keine leere Stille, sondern ein Moment voll von Glauben, Erwartung und Bereitschaft. In einer Welt voller Lärm sind wir nicht mehr an die Stille gewöhnt, ja manchmal fällt es uns schwer, sie zu ertragen, weil sie uns mit Gott und mit uns selbst konfrontiert. Und doch ist sie die Grundlage der Sprache und des Lebens.« Er sprach vom »Klangfaden der Stille«: »Und so müssen auch wir wie Abraham, wie Elija, wie Maria uns von viel Lärm befreien, um seine Stimme zu hören. Denn nur wenn wir still werden, erklingt sein Wort.«

Mit Bezugnahme auf die Rede des Petrus auf dem Apostelkonzil in Jerusalem (Apg 15,12) gab er sich davon überzeugt, »dass das Schweigen in der kirchlichen Gemeinschaft eine geschwisterliche Kommunikation ermöglicht, in der der Heilige Geist die Standpunkte in Einklang bringt, weil er die Harmonie ist. Synodal zu sein bedeutet, einander auf diese Weise anzunehmen, in dem Wissen, dass wir alle etwas zu bezeugen und zu lernen haben, indem wir uns im Hören auf den ›Geist der Wahrheit‹ (Joh 14,17) zusammentun, damit wir erkennen, was er ›den Gemeinden sagt‹ (Offb 2,7). Und die Stille ermöglicht eben diese Unterscheidung durch aufmerksames Hören auf das ›unaussprechliche Seufzen‹ (vgl. Röm 8,26) des Geistes, das, oft verborgen, im Volk Gottes widerhallt. Bitten wir also den Geist für die Teilnehmer der Synode um die Gabe des Hörens«.

Außerdem sei Stille »wesentlich auf dem Weg der Einheit der Christen.« Er fasste zusammen: »Bitten wir deshalb, Brüder und Schwestern, im gemeinsamen Gebet darum, dass wir wieder neu lernen, still zu werden, um auf die Stimme des Vaters, den Ruf Jesu und das Seufzen des Geistes zu hören. Bitten wir darum, dass die Synode ein kairós der Geschwisterlichkeit wird, ein Ort, an dem der Heilige Geist die Kirche von Geschwätz, Ideologien und Polarisierungen reinigt.«

Sind das alles nur »fromme Sprüche«?

Einzuüben: Hören auf den Geist

Im Anschluss an die Gebetswache haben sich Kardinäle, Bischöfe und weitere Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer in ein Bildungshaus in Sacrofano, nördlich von Rom, zurückgezogen, wo sie sich ab Sonntagmorgen geistlich auf die Synode einstimmten. Der ehemalige Generalmagister des Dominikanerordens, Timothy Radcliffe, warnte vor zu hohen Erwartungen: »Während unserer Synodenreise machen wir uns vielleicht Sorgen, ob wir etwas erreichen«. »Die Medien«, so Radcliffe, »werden wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass alles nur Zeitverschwendung war, nur Worte. Sie werden darauf achten, ob gewagte Entscheidungen zu vier oder fünf brisanten Themen getroffen werden.«

Es kann nur immer wieder daran erinnert werden: Es geht auf der Synode, ganz banal gesagt, zuerst ums Hören – anders, echt, ernst gemeint.

Schwarzseher: »Alles für die Katz«?

Es geht nicht um das Abarbeiten einer Agenda, schon gar nicht einer hidden agenda! Alles soll auf den Tisch, wie schon zuvor auf diözesaner, nationaler und kontinentaler Ebene. Dort hat sich gezeigt, dass »Reizthemen« weltweit vorhanden sind. Aber es wird unterschiedlich darüber gesprochen. Und eine Synode ist kein Gewerkschaftskongress, auf dem Tarifverhandlungen vorbereitet werden. Trotzdem muss alles auf den Tisch.

Gefragt sind – auch wenn diese Bitte unter dem Generalverdacht der Hinhaltetaktik steht – der lange Atem, Geduld und die Einsicht, dass lange eingespielte Praxen, Gewohnheiten und Mentalitäten sich nicht von heute auf morgen ändern lassen. Wie Synodalität geht, wie sie funktioniert – das lässt sich nur gemeinsam herausfinden. Und einüben.

Wer jetzt schon kleinredet, was in den kommenden Wochen passieren wird, passieren könnte, achtet auch die Suchprozesse gering, die seit 2021, als Franziskus den mehrjährigen synodalen Prozess eröffnete, stattgefunden haben: auf der Ebene von Pfarreien, dann in Diözesen, auf nationaler Ebene und dann auf Kontinentalversammlungen (die europäische trat im Februar 2023 in Prag zusammen) – mit viel Herzblut, mit enormem Aufwand und Engagement.

Vertrauen musste wachsen, Vorurteile mussten abgebaut, Missverständnisse ausgeräumt und Narrative abgebaut werden. Das ist nur zum Teil gelungen. Vorstellungen vom „bösen Westen“ oder von postkolonialem Eurozentrismus verschwinden nicht einfach. Wie tröstlich, dass der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff nicht in den Chor der Pessimisten einstimmt: »Schließlich setzt Franziskus auf einen nachhaltigen Kurswechsel in der Art, nicht nur wie die katholische Kirche geleitet wird, sondern wie sie sich selbst organisiert.« (FURCHE 37/2023)

Synodale Kultur: Unterwegs zu einer neuen Beratungs- und Entscheidungsfindung

Deswegen teile ich nicht die Stimmen, die das, was kommt, eine »pseudodemokratische Illusion« nennen, »Beteiligungssimulation« wittern oder davon sprechen, hier versammle sich nur »ein weiterer Debattierclub ohne rechtliche Vollmachten«.

Synodalität ist keine Alibi-Aktion oder Beschäftigungstherapie. Der Widerstand gegen den synodalen Prozess zeigt: Manche merken, dass sich die Kirche ändern wird. Es stimmt: Eine Synode ist ein Beratungs-, kein Entscheidungsinstrument. Aber das Motto des synodalen Prozesses lautet bekanntlich »Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung«. Partizipation – das heißt: Macht teilen. Die Synode ist ein weiterer Schritt in diese Richtung: Eine »synodale Kultur« lässt sich aber nicht per Dekret verordnen oder mit einem päpstlichen Machtwort erzwingen.

Methodenvorschlag: das geistliche Gespräch

Auf dem Rückflug von seiner Mongolei-Reise (September 2023) sagte Franziskus: »Es gibt eine Sache, die wir schützen müssen: die synodale Atmosphäre. Dies ist keine Fernsehsendung, in der über alles Mögliche geredet wird. Nein. Da gibt es ein religiöses Moment, ein Moment des religiösen Austauschs. Denken Sie nur daran, dass in den synodalen Beiträgen jeder drei bis vier Minuten spricht und dann gibt es drei bis vier Minuten Stille für das Gebet. Dann weitere drei und wieder Gebet. Ohne diesen Geist des Gebets ist es nicht Synodalität, sondern Politik, Parlamentarismus. Die Synode ist kein Parlament.«

Im »Instrumentum laboris« (IL), dem Arbeitsdokument für die erste Sitzung im Oktober 2023, liest man dazu: »Über alle Kontinente hinweg ist zu erkennen, wie fruchtbar die hier als ›Gespräch im Geist‹ bezeichnete Methode war, die in der ersten Phase zum Tragen kam und in einigen Dokumenten als ›geistliches Gespräch‹ oder ›synodale Methode‹ bezeichnet wird.« (IL 32)

Daran erinnerte auch Kardinal Mario Grech, der Generalsekretär der Bischofssynode, der zusammen mit Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ, dem Generalrelator, der federführende Organisator ist: Die Versammlung werde vor allem eine geistliche Erfahrung sein: »ein Ereignis des Gebets und des Hörens auf den Heiligen Geist, der der wahre Protagonist des Ereignisses ist«.

Transparenz vs. spirituelle Atmosphäre?

Das Eine lässt sich gegen das Andere nicht ausspielen: Dass keine Presse zugelassen sei, wie der Papst zunächst meinte, erzeugte Proteste: Alles sei intransparent und werde hinter verschlossenen Türen ausgeschnapst. Allerdings werden jetzt der Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation, Paolo Ruffini und sein Team, täglich Pressebriefings abhalten.

Dass sich 375 Synodale erst einmal finden müssen, mit ihren sehr unterschiedlichen Kirchenbildern und Reformvorstellungen, blieb dabei unbeachtet. Wer ständig im Hinterkopf hat: Was sage ich heute Abend in aller Öffentlichkeit – wie frei ist man dann?

Drei Mal habe ich bisher das »Instrumentum laboris« durchgelesen. Und staune immer wieder über die aufgelisteten Themen. Zwei Drittel, die Seiten 24 bis 71, bestehen aus fünfzehn Fragebögen: »Arbeitsblätter«, die konkrete Arbeitsaufträge beinhalten, die 35 Arbeitskreisen behandelt werden. »Fragen« (»Was haben wir daraus gelernt?«), »Anregungen für das Gespräch der Unterscheidung«: So etwas gab es noch nie! Das entscheidende Stichwort dieser »synodalen Werkzeugkiste«, die – zugegeben, auch »viel Synodenpoesie« (Moritz Findeisen, CiG) enthalten mag, lautet »Unterscheidung der Geister« – und die soll nicht nur eine leere Vokabel sein. Sie ist ein Übungsfeld.

Im Vertrauen auf den Geist

Was kommt am 29. Oktober heraus? Wenn das jetzt schon klar wäre, bräuchte es keine Synode. Nur einer weiß es bisher: der Geist Gottes. Alle anderen, auch der Papst, müssen es erst herausfinden. Im Oktober 2024 tritt die Synode wieder zusammen: Was war? Was fehlt?

Am Ende des Tages stellt sich die Frage: Was trauen wir dem Geist Gottes zu? Und: Was mutet er uns zu? Er ist nicht »mein« Parteigänger oder Lobbyist irgendwelcher Interessen. Ich bin gespannt.