Die Kommentare gehen, wie nicht anders zu erwarten, auch zwei Tage nach Veröffentlichung der Erklärung »Fiducia supplicans« des Dikasteriums für die Glaubenslehre »über die pastorale Sinngebung von Segnungen«, ziemlich auseinander. Gleichgeschlechtlich Liebende können einen Segen empfangen – aber nicht in einem Gottesdienst, eher en passant und ohne großes Aufheben. Der Papst ändert die Lehre der Kirche nicht, öffnet aber den pastoralen Handlungsspielraum.

Ja, aber . . .

Von »Winkelzügen« ist deswegen die Rede, von »jesuitischen Kunstgriffen«, auch von »sprachlichem Geschwurbel«. Die Sprache dieses Dokuments ist in der Tat nicht so leicht nachvollziehbar. »Irreguläre Beziehungen« klingt abwertend. Ist es auch so gemeint? Segnen ja, absegnen nein?

Auch Kardinal Reinhard Marx meinte bei einer Diskussion im Münchner Presseclub, das Schreiben »eiere« etwas herum, er wundere sich über manche Wortwahl. Und andererseits: »Für uns mag das nur ein kleiner Schritt sein. Aber für manche in der Weltkirche ist das gewaltig, das so zu hören, dass das möglich sein soll. In Afrika werden da einige mit dem Kopf schütteln.« Der Pfarrer, der vor Monaten zwei Homosexuelle gesegnet hat, wird den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nun fragen, ob er die ihm dafür erteilte Abmahnung zurücknimmt.

Auch wenn die in dem Dokument festgehaltenen Auflagen teils befremdlich anmuten: Der Vatikan entwickelt sich – denn vor zwei Jahren gab es noch ganz andere Töne aus der damaligen Kongregation für die Glaubenslehre. Meine Meinung von damals (»Kein Segen für Homosexuelle – und der Papst macht mit?«) habe ich nicht geändert: Wenn die Kirche Tiere segnet, Autos, früher auch Waffen, warum tut sie sich dann so schwer mit Homosexuellen? Wenn zwei Männer oder zwei Frauen um einen Segen bitten, wissen sie, was sie tun. Von »Sakramentensimulation« zu sprechen, ist einfach eine bösartige Unterstellung.

Nur eine Geste? Oder ein Signal?

Ob nun ein Rituale erstellt wird oder nicht: Es ist nicht nur eine Geste der gewährten Barmherzigkeit. Es ist schon auch ein Signal aus dem Vatikan. Vielleicht sogar wirklich eine Kehrtwende.

Dass damit manche Katholiken ihre Schwierigkeiten haben, überrascht nicht. Auch nicht, dass die übliche Häme über Franziskus ausgeschüttet wird. Der Münsteraner Kirchenrechtlicher Thomas Schüller spricht im SZ-Interview zwar von einem »Segen zweiter Klasse« und nennt manche Formulierungen »hochgradig diskriminierend«. Aber er zollt dem Papst auch Respekt vor seinem Mut, einen Schritt nach vorn zu gehen – selbst wenn das ein Schritt in einen »Graubereich« bedeutet: »Es wird zu einem freien Spiel der liturgischen Kräfte kommen«, der wohl auch einen neuen »Kulturkampf in der katholischen Kirche zwischen reformerischen und konservativen Kräften« auslösen könnte.

»Eine schöne Bescherung . . .«

Ähnlich sieht es Otto Friedrich (Die Furche, Wien, Nr. 51/52, 21.12.2023, Seite 1). Er schreibt zur »Methode Franziskus«: »Das konservative Kirchenlager, das nach dogmatischer Klarheit verlangt, schäumt einmal mehr, auch wenn es sich darauf berufen kann, dass die nun erlaub­ten Segnungen – bildlich gesprochen – nur im kirchlichen Hinterstübchen und quasi ›inoffiziell‹ gespendet werden dürfen. Andererseits ist dies genau die Methode, die Franziskus in seinem Pontifikat zu per­fektionieren scheint. Um das Geheul seiner Widersacher abzumildern (dem er aber so und so nicht entkommt), öffnet er Türchen einen Spalt breit – wissend, dass diese aber von den Betroffenen schnell aufgeris­sen werden könnten, und hoffentlich auch werden!

Die SZ überschrieb ihren Kommentar mit den Worten »Hut ab vor diesem Papst« (Marc Beise). Wie schon einmal gesagt: Franziskus überrascht und irritiert und überrascht und irritiert – immer wieder. Totgesagte leben länger!

Kommentar von Jürgen Erbacher, ZDF: »Papstgeflüster«.