Zum 31. Dezember 2024 wäre das Kollegium der wahlberechtigten, also unter 80-jährigen Kardinäle auf 120 geschrumpft – das von Papst Paul VI. festgelegte bzw. empfohlene Quorum. Hätte es nicht beim Angelusgebet am 6. Oktober die offenbar selbst vatikanintern ziemlich überraschende Ankündigung gegeben, dass zum 8. Dezember 2024 insgesamt 21 neue Kardinäle kreiert würden, von denen aber einer altersbedingt nicht mehr wählen darf. Am 12. Oktober wurde bekannt, dass das Konsistorium einen Tag vorverlegt wird: auf den 7. Dezember.
120 + 20 oder: Kardinäle kommen und gehen – sobald sie 80 sind (2024/25)
Mehrmals schon (seit Johannes Paul II.) wurde die Obergrenze überschritten – ganz abgesehen davon, dass im Laufe des Jahres 2025 insgesamt 13 Kardinäle altersbedingt ihr Wahlrecht verlieren werden, womit das konklaveberechtigte Wahlgremium dann auf 107 geschrumpft wäre. So werden es, unvorhergesehene Todesfälle nicht berücksichtigt, 127 sein.
Den Anfang macht am 22. Januar 2025 ein »Schwergewicht«, Kardinal Christoph Schönborn, der Erzbischof von Wien. Auch andere Namen sind, aus verschiedenen Gründen, prominent: der Spanier Fernando Vérgez Alzaga etwa, der Präsident des Goverantorats der Vatikanstadt (* 01.03.1945), der emeritierte afrikanische Kurienkardinal Robert Sarah (* 15.06.1945) oder Vinko Puljić (* 08.09.1945) aus Sarajevo, der seit 1994, also seit über 30 Jahren, dem exklusivsten Wahlgremium der Welt angehörte.
Dass darunter eine Reihe von emeritierten Erzbischöfen ist (Wien, Santiago de Chile, Karatschi/Pakistan, Madrid, Ouagadougou/Burkina Faso, Abidjan/Elfenbeinküste, Westminster, Ernakulam-Angamaly/Indien, Valencia) wirft wie immer die Frage auf, ob solche Länder mit weiteren Kardinälen im Konklave vertreten sind oder ganz fehlen (wie aktuell z.B. Irland oder die Tschechische Republik).
Internationaler – und jünger
Zwischen 99 und 44 sind die 21 neuen Kardinäle. Nur ein einziger von ihnen, der Italiener Angelo Acerbi, der im kommenden September 100 Jahre alt wird, ist nicht mehr konklaveberechtigt. Allerdings wird auch der ehemalige Generalmagister der Dominikaner, Timothy Radcliffe, ein weltweit gefragter spiritueller Vordenker, in absehbarer Zeit ausscheiden, wenn er im August 2025 sein 80. Lebensjahr vollendet. Der peruanische Kardinal Carlos Gustavo Castillo Mattasogilo, seit 2019 Erzbischof von Lima, ist 1950 geboren, kann also nur fünf Jahre lang mitwählen.
Auffällig diesmal: Eine Reihe von neuen Kardinälen, insgesamt zwölf, sind zwischen 1960 und 1980 geboren und werden damit über viele Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg konklaveberechtigt sein. So der Redemptorist Mykola Bychok, Bischof der Eparchie Saints Peter and Paul of Melbourne der Ukrainer (*1980), der jüngste Kardinal der neueren Geschichte; der Inder George Jacob Koovakad (* 1973), der im Moment als Päpstlicher Reisemarschall fungiert; der Litauer Rolandas Makrickas (* 1972), Erzpriester-Koadjutor der Päpstlichen Basilika Santa Maria Maggiore; der Kanadier Francis Leo (* 1971), Erzbischof von Toronto; oder der Weihbischof und ernannte Generalvikar von Rom, Baldassare Reina (* 1970).
Unter den 21 neuen Kardinälen sind, auch das sticht heraus, elf Ordensleute: je ein Lazarist (CM: Argentinien), ein Scalabrinianer (CS: Italien) und ein Redemptorist (CSsR: Australien/Ukraine), vier Franziskaner (OFM oder OFMConv.: Ecuador, Brasilien, Indonesien, Iran), zwei Steyler Missionare (SVD: Japan, Serbien) und zwei Dominikaner (Algerien, Vereinigtes Königreich).
Lateinamerika und Asien sind jeweils mit fünf, Afrika mit drei und Europa mit sieben (darunter vier Italiener) neuen Kardinälen im Kardinalskollegium vertreten, dazu kommt ein Kanadier. Kein Nordamerikaner. Und warum sollte Deutschland, das drei wahlberechtigte Kardinäle stellt, einen weiteren erhalten – bei knapp 20 Millionen Katholiken? Erwartbar waren Hauptstadt-Bischöfe wie Lima, Santiago de Chile, Tokio oder Abidjan (Elfenbeinküste). Andere Ernennungen sind völlig überraschend und drücken die persönliche Wertschätzung des Papstes aus. Er hat auch Absichten, die er nicht verrät, unverkennbar, und muss diese nicht rechtfertigen, so merkwürdig auch manche Ernennungen anmuten mögen.
Nationale Befindlichkeiten – und Enttäuschungen
Ein neues Konsistorium war wahrscheinlich, der 8. Dezember 2025 unvorhersehbar. Keine zehn Tage später wird Franziskus 88 Jahre alt. Bestellt er sein Feld? War es sein letztes Konsistorium? Das Kardinalskollegium trägt im zwölften Pontifikatsjahr deutlich seine Handschrift. Mit dem Ausscheiden von Schönborn und Puljić gibt es nur mehr vier aus dem Pontifikat von Johannes Paul II. (1978–2005) stammende wahlberechtigte Kardinäle und 24 aus dem von Benedikt XVI. (2005–2013). Seit langem unberücksichtigt blieben Mailand, Venedig, Los Angeles, San Francisco oder Philadelphia – um nur einige erzbischöfliche Stühle zu nennen, die in früheren Zeiten fix mit dem Kardinalspurpur rechnen konnten.
Das erzeugt auch Unmut. Genauso wie Ernennungen, die persönliche Vorlieben erkennen lassen. Die »franziskanische« Ernennungspolitik überrascht und irritiert weiterhin. Kandidaten aus der südlichen Hemisphäre gewinnen an Einfluss, bevorzugt solche mit sozialem Profil, die Zeit »dogmatischer Hardliner« scheint weitgehend vorbei zu sein – was sich aber durchaus nicht auf einen einheitlichen Nenner bringen lässt.
Vielfalt – so oder so – und neue Herausforderungen
Kulturelle Vielfalt, theologische Vielfalt, unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Wahrnehmung und Wertung anstehender Probleme prägen auch das Kardinalskollegium. Und das Wahlkollegium. Manche rufen deswegen nach einem italienischen oder mindestens nach einem europäischen Papst. Andere sehen die Zeit dafür endgültig oder für lange vorbei. Europa verliert unübersehbar an Bedeutung. Die Gewichte haben sich in mehrfacher Hinsicht verschoben.
Was heißt heute Evangelisierung – und wie soll sie erfolgen? Welche Persönlichkeit braucht es dafür auf dem Stuhl Petri? Auf allen Kontinenten geht es, wie die Weltsynode zeigt, um Fragen der Partizipation und Gewaltenteilung, damit um Rechenschaft. Auch die »Frauenfrage« lässt sich – auf allen Kontinenten – nicht mehr autoritär oder durch bischöfliche Machtworte unterdrücken.
Synodalität als Struktur- und Gestaltungsprinzip (und nicht nur als Stilprinzip) der Kirche im 21. Jahrhundert ist ein Schlüsselbegriff geworden, für viele aber nach wie vor ein Fremdwort, trotz des weltweit laufenden synodalen Prozesses, der mit völlig unterschiedlichen, manchmal diametral entgegengesetzten Erwartungshaltungen überfrachtet ist. Enttäuschungen sind programmiert, wenn man sich nicht auf einen geistlichen Weg einlässt, der mit synodaler Umkehr zu tun hat.
Der Heilige Geist gehört keiner Nation an – und er lässt sich nicht manipulieren oder korrumpieren. Er hat auch ein Wort mitzureden, sobald es soweit ist: Wenn in der Sixtina Kardinäle zu einer neuen Wahl zusammentreten.