Papst Franziskus überrascht – nach wie vor. Obwohl er alters- und gesundheitsbedingt eingeschränkt ist und zum Beispiel Liturgien immer wieder delegieren muss – wie zuletzt die Bischofsweihe von Renato Tarantelli Baccari in der Lateranbasilika am 4. Januar 2025, der Stellvertreter des Kardinalvikars Baldassare Reina wird und damit als Weihbischof die Verwaltung der Diözese Rom koordiniert –, setzt er unübersehbare Akzente.
Eine Frau steht über einem Kardinal
Am 6. Januar 2025 wurde eine bisher einmalige Ernennung bekanntgegeben: Mit Simona Brambilla MC wurde erstmals in der Geschichte des Vatikans eine Frau an die Spitze eines Dikasteriums (bis 2022: Kongregation) berufen. Als »Präfekt«, wie der Titel nach wie vor heißt, untersteht ihr der am selben Tag zum Pro-Präfekten (anstatt zum Sekretär) ernannte Kardinal Ángel Fernández Artime, bis August 2024 Generaloberer der Salesianer Don Boscos, den viele Beobachter als den logischen Nachfolger des bisherigen Kardinalpräfekten João Braz de Aviz vermuteten. Franziskus hat offensichtlich eine andere Logik im Kopf.
Eine Frau über einem Kardinal? Ob das, wie der Mainzer Kirchenrechtler Matthias Pulte vermutet, zu Problemen führen könnte, wird man sehen. Von einem »Wirbel in der Vatikan-Hierarchie« sprach wegen der ungewöhnlichen Ernennung das Internetportal »katholisch.de«. Die Ernennung möglich gemacht haben die in der Kurienreform »Praedicate Evangelium« vorgenommenen Änderungen, die sogenannten Laien den Weg für vatikanische Spitzenpositionen ebneten. Die der Papst, wie man sieht, angeht.
Simona Brambilla war bisher Sekretärin (also die Nr. 2) des Dikasteriums für Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens (kurz: »Ordensdikasterium«). Zuvor war sie Sekretärin des Dikasteriums, in das sie 2019 berufen worden war. Sie gehört den Consolata-Missionsschwestern an, arbeitete in Mosambik und leitete von 2011 bis Mai 2023 als Generalsuperiorin ihre Ordensgemeinschaft. Dem nun von ihr geleiteten Dikasterium gehört sie bereits seit 2019 als Mitglied an.
Keine Ende des Ungewöhnlichen?
Schon seit längerem steht mit Paolo Ruffini ein sogenannter Laie dem Dikasterium für Kommunikation vor. Die Ernennung von Schwester Simona Brambilla ist trotzdem ein Novum, auch wenn manche Auguren gleich wieder sagen werden: eine Ordensfrau, keine Frau.
Solche Kommentare zeigen, dass Papst Franziskus tun kann, was er will – man findet immer noch ein Haar in der Suppe. Als er am 15. Dezember 2024 eine Tagesreise nach Korsika machte, wurde kritisiert, dass er bei der Eröffnung von Notre-Dame nicht dabei war (wo Donald Trump bekanntlich einschlief). Der Bischof von Ajaccio, François-Xavier Bustillo OFMConv., ist seit 2023 Kardinal, der Erzbischof von Paris, Laurent Ulrich (im Amt seit 2022), nicht. Auch das eckt an.
Ein Signal in den USA
Eine andere heikle Personalie wurde ebenfalls am 6. Januar 2025 veröffentlicht: Kardinal Robert Walter McElroy, bisher Bischof von San Diego, folgt auf Kardinal Wilton Daniel Gregory, dem ersten US-Amerikanischen Kardinal mit afroamerikanischen Wurzeln, als Erzbischof von Washington. McElroy gilt, wie Gregory, als »liberal« und als »Franziskus-Mann«, der ihn 2022 überraschend zum Kardinal ernannt hatte – und dabei die Erzbischöfe von San Francisco, Los Angeles und Philadelphia wieder überging. Mehrmals war er mit kritischen Äußerungen zu Donald Trump, v.a. wegen dessen Migrationspolitik, aufgefallen – die brisante Ernennung wenige Tage vor der Angelobung des neuen US-Präsidenten ist ein Zeichen!
Wie schon öfters gesagt: Mit weiteren Überraschungen von Papst Franziskus ist zu rechnen. Wann und wo und wie – werden wir sehen. »Vatican News«-Journalistin Gudrun Sailer wertet die Ernennung als ein »wichtiges Signal« an die Weltkirche, die Kardinäle und an engagierte Frauen in der Kirche.
Kommentar auf katholisch.de (Felix Neumann): »Die Präfektin und ihr Kardinal – ein neues Amt gibt Rätsel auf«.
(Ergänzt am 8.01.2025)