»Die Raben beginnen wieder zu kreisen«: Treffender hätte es der römische Kirchenhistoriker Andrea Riccardi, das »Gesicht« der Laiengemeinschaft Sant’Egido, nicht ausdrücken können.

Seit gut einer Woche wird Papst Franziskus hospitalisiert. Sein Zustand ist ernst, aber stabil. Möglicherweise wird es länger dauern, bis er sich von der beidseitigen Lungenentzündung vollständig erholt hat. Er ist 88 und mittlerweile der zweitälteste Papst im Amt. Die Lunge bleibt seine Achillesferse: Als junger Mann wurde ihm ein Teil des rechten Lungenflügels wegoperiert.

Spekulationen über einen Papstrücktritt: »Operation Biden«?

Eine »bedingte Rücktrittserklärung« hat er bereits 2013 bei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hinterlegt. Für den Fall der Fälle: eines Unfalls, einer riskanten OP und der Möglichkeit, dabei ins Koma zu fallen, einer chronischen Erkrankung, die ihn amtsunfähig macht, eines Attentats. Es wäre unverantwortlich, hätte er nicht Vorsorge getroffen.

Dass mittlerweile der emeritierte Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, der Erzbischof von Marseille, Kardinal Jean-Marc Aveline, und der spanische Kardinal Juan José Omella, Erzbischof von Barcelona, laut über einen Rücktritt nachgedacht haben, verwundert nicht. Eher vielleicht, dass sie es laut tun: »Diskussionen über einen Papst-Rücktritt auf offener Bühne« (katholisch.de). Die drei Papstwähler gehören aber sicherlich nicht zu den Kardinälen, die den Papst lieber heute als morgen tot sähen. Kardinal Matteo Zuppi, der Erzbischof von Bologna, wünscht sich eine baldige Genesung des Papstes. Zuppi gehört zu den immer wieder genannten Favoriten im Falle einer Wahl.

Am 21. Februar sah sich der Vatikan gezwungen, ein Treffen des Papstes mit Kardinalsstaatssekretär Parolin (70) und dem Jesuitenkardinal Gianfranco Ghirlanda (82), einem Kirchenrechter, zu dementieren. Mehrere Quellen hatten behauptet, sie hätten mit Franziskus Modalitäten eines allfälligen Rücktritts besprochen. Andere Vaticanisti meinten, eine »Operation Biden« stünde zur Debatte: Wie den Papst dazu bewegen, sein Amt aufzugeben? Er könne von Joe Biden lernen, der seine Präsidentschaftskandidatur – (zu) spät, aber doch – zurückzog.

Zwischen echter und gespielter Sorge – und klerikaler Pietätlosigkeit

Der Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Giovanni Battisti Re (91), meldete sich zu Wort, als die ersten Raben zu kreisen begannen und Rücktrittsgerüchte streuten: »Der Papst ist auf dem Weg der Besserung, erfinden wir keine Sachen. Man sollte nicht von Rücktritt sprechen, in einigen Tagen kehrt er in den Vatikan Franziskus zurück.« Franziskus schätzt Re und übertrug ihm in der Vergangenheit, obwohl dieser zwei Jahre älter ist als der Pontifex, wiederholt den Vorsitz bei Pontifikalämtern.

Wenn es soweit ist, obliegt dem Dekan des Kardinalskollegiums die Organisation des Konklave. Weil er 91 ist, fiele diese Aufgabe seinem Stellvertreter zu. Der Vizedekan ist aber ebenfalls schon 81: der emeritierte argentinische Kurienkardinal Leonardo Sandri. Sowohl der Dekan wie der Vizedekan sind aus dem Kreis der Papstwähler ausgeschieden, weswegen dem ranghöchsten Kardinalbischof im Moment die entscheidende Rolle zukäme: Das ist Kardinal Parolin – den manche gern als nächsten Papst sähen, sind doch die Italiener seit 1978 »leer ausgegangen«.

Ob manche Kardinäle schon die Koffer gepackt haben, um nach Rom zu reisen? Manche erwecken diesen Eindruck. Welche Sorge ist echt, welche gespielt? Welche Spekulationen sind einfach geschmacklos? Wer laut spekuliert, vermittelt auch ein bestimmtes Bild: klerikale Pietätlosigkeit.

Abwarten und hoffen – fragt sich nur: Worauf?

Mein Plädoyer: Abwarten, beten, bangen – und hoffen, dass Franziskus die Gemelli-Klinik wieder verlassen und in den Vatikan zurückkehren kann. Wiederhergestellt, wenn auch mit altersbedingten Einschränkungen. Auch ein 88-jähriger kann geistig und körperlich fit sein! Energiegeladen, humorvoll, spontan ist Franziskus, wenn er mit Menschen zusamen ist.

Sollte sich herausstellen, dass seine Genesung andauert oder sehr lange Zeit in Anspruch nimmt, wird sich Franziskus dazu schon äußern. Sollte er auf Dauer eingeschränkt bleiben, wird er zurücktreten.

Ein Papstrücktritt muss aus freiwilligen Stücken erfolgen. Hieß es früher, Päpste sterben im Amt, weil sie auf Lebenszeit (»ad vitam«) gewählt sind, hat das Kirchenrecht diese Möglichkeit eröffnet. Canon 232 § 2 CIC/1983 bestimmt: »Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird.«

Papst Benedikt XVI. hat davon im Februar 2013 Gebrauch gemacht. Es war der erste freiwillige Amtsverzicht eines Papstes seit 1294 (Cölestin V.). Manche nahmen ihm, dem 86-jährigen, dies übel. Aber sein mutiger Schritt zeigte: Wenn sich ein Papst seinem Amt nicht mehr gewachsen fühlt, ist es besser, wenn er aufgibt.

Franziskus würde sich dann »emeritierter Bischof von Rom« nennen und nach Santa Maria Maggiore zurückziehen, wie er mehrmals angekündigt hat. Dort will er, wie er in seiner Autobiografie »Hoffe« bestimmte und woran ich vor zwei Tagen bereits erinnerte, auch begraben werden: »Was meinen Tod angeht, so habe ich dazu eine recht pragmatische Einstellung. Und dasselbe gilt für das Risiko von möglichen Attentaten. Wenn es so weit ist, dann werde ich nicht im Petersdom bestattet, sondern in Santa Maria Maggiore: Der Vatikan ist mein letzter Arbeitsplatz auf Erden, aber nicht der Wohnort für die Ewigkeit.«

Ich wünsche mir, dass Franziskus in den Vatikan zurückkehren kann.