8. Mai 2025: Aus Robert Francis Prevost wird Leo XIV. Im vierten Wahlgang, innerhalb von 24 Stunden nach Beginn des Konklaves. Überraschung, Begeisterung, ein neuer Papst als riesige Projektionsfläche, konfrontiert mit immensen Erwartungen.
8. Juni 2025: Überall lese ich Bemerkungen wie »Der Papst muss«: »liefern«, »sich deklarieren«, »Farbe bekennen«. Die einen wünschen sich, die anderen fordern, andere hoffen auf, wieder andere träumen von . . . Erwartungen, Wünsche, Forderungen, Hoffnungen: Viele stehen Schlange. Ist das realistisch? Der Papst ist kein Übermensch.
Sortieren und priorisieren muss Leo XIV. im Moment: das erste Konsistorium (am 13. Juni), die erste Reise, die erste Enzyklika. Kurienchefs und andere Funktionsträger hat er bereits getroffen, Staatsoberhäupter und Politiker, er hat J. D. Vance und Marco Rubio empfangen, Selenskyj getroffen und mit Putin telefoniert. Was muss er? Was kann er? Was will er? Lassen wir ihm Zeit. In vier Wochen kann sich ein Mensch nicht neu erfinden. Er wächst in seine neue Rolle hinein.
Im deutschsprachigen Raum gibt es eine andere Debatten- und Streitkultur als in anderen Kontinenten. Die Würzburger Synode (1971/75), Diözesansynoden an verschiedenen Orten, Gesprächsprozesse und -foren verschiedenster Art haben Spuren hinterlassen. Und Frustration.
Wer Weltkirche sein will, muss die Ungleichzeitigkeiten wahrnehmen und ernst nehmen. Ein Papst muss sie berücksichtigen und kann deswegen nicht Bedürfnisse nach dem Gießkannenprinzip befriedigen. Der lange Atem ist gefragt, wieder einmal.
Auch dabei kann der Pfingstgeist helfen, die Sequenz stammt aus dem 12. Jahrhundert: »Wärme du, was kalt und hart, / löse, was in sich erstarrt, / lenke, was den Weg verfehlt. // (…) Gib dem Volk, das dir vertraut, / das auf deine Hilfe baut, / deine Gaben zum Geleit.«