Sie haben keine gute Presse: Überläufer. Dabei denkt man an Spione, die die Seiten wechseln. An Romane des englischen Schriftstellers John le Carré, der selber einmal für den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 arbeitete. Oder eben an spannende Agentenfilme. James Bond lässt grüßen!
Ein griechischer Theologe und Kirchenschriftsteller, Clemens von Alexandrien (150 – um 215 n. Chr.), schreibt in „Protreptikus“, einer „Mahnrede an die Griechen (resp.: die Heiden)“: „Schön ist das Wagnis, zu Gott überzulaufen.“ (Prot. 10, 93, 2) Zum ersten Mal begegnet bin ich diesem prägnanten Wort, als ich nach seinem Tod das Zimmer von Pater Alfons Klein SJ (1929-2015) räumte. Es steht auf seinem Primizbildchen aus Anlass der Priesterweihe (August 1960).
Zu Gott überlaufen? In gewisser Weise stimmt das ja: Mit der Taufe wechseln Menschen die Seiten.
Sie entscheiden sich. Sie binden sich an Jesus den Christus. Den sie, wie Paulus den Galatern schreibt, „angezogen“ haben: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.“
(Gal 3,27) Und wir kennen ja auch das Wort: Kleider machen Leute.
Wer sich auf Gott einlässt in Jesus von Nazareth, den wir Christen als Heiland und Erlöser, als Kyrios und Messias bekennen, der/die lebt anders, denkt anders, handelt anders … Das ist eine Lebensaufgabe – und ein Lebensprogramm! Wir sind Überläufer – weil auch noch andere Kriterien gelten als das Recht des Stärkeren, Ego-Trips oder Selbstverwirklichung. Sich Gott anvertrauen, übereignen – das ist, wie Hans Küng schreibt, „wie das Wagnis des Schwimmens: Man muss sich dem Element anvertrauen und sehen, ob es trägt.“ Die Verheißung Jesu lautet: Es trägt!
Dieser Text wurde im Monatsanzeiger Juni 2017 der Jesuitenkirche St. Michael in München veröffentlicht.