Wie geht das: Gut voneinander denken, wohlwollend voneinander sprechen – und aufbauend handeln?
Im Alltag stellen sich solche Fragen. Übrigens auch in einem Orden. Abfällige Bemerkungen kommen vor. Mich freuen am Erfolg des Anderen kann schwerfallen. Werte ich mich auf, wenn ich andere abwerte und klein mache?

Seit fast 30 Jahren begleiten mich zwei Worte. Beide Entdeckungen verdanke ich einem Mitbruder: Peter Knauer SJ.

Das eine Wort findet sich bei Ignatius von Loyola, das andere bei Reiner Kunze. Dessen Gedicht trägt den Titel „Silberdistel“: „Sich zurückhalten / an der Erde // Keinen Schatten werfen / auf andere // Im Schatten der anderen / leuchten.“ Ist „Arglosigkeit“ das richtige Wort dafür? „Keinen Schatten werfen auf andere“, trotzdem leuchten …

Das zweite Wort: Ignatius von Loyola hatte den Ruf, streng zu sein. Natürlich hatte er auch Herz.
Er konnte es auch zeigen – eine Seite, die in der Tradition seines Ordens lange verschollen war, wenn nicht unterdrückt wurde. Einer, der ihn aus der Nähe kannte, Luis Gonçalves da Câmara SJ, schrieb in seinem „Memoriale“ (1555): „Wenn er im Haus einen Bruder traf, zeigte er ihm ein Gesicht und eine solche Liebenswürdigkeit, als wolle er ihn in seine Seele aufnehmen.“ An anderer Stelle taucht dieselbe Formulierung auf, schon als Novize faszinierte sie mich: „in seine Seele aufnehmen“. Jemandem wohl wollen – und das auch zeigen!

Gott sei Dank gibt es solche Menschen auch heute. Ich bin ihnen begegnet, auch im Orden. Sie tun gut. Ein Vorsatz fürs Neue Jahr 2016: eine Kultur der Wertschätzung und Achtsamkeit einüben – freundlich sein, gut voneinander denken und reden – und mich freuen.

Dieser Text wurde im Monatsanzeiger Januar 2016 der Jesuitenkirche St. Michael in München veröffentlicht.