Palmsonntag in Jerusalem: Auftakt der Karwoche. Die feierliche Palmprozession vom Ölberg zur Anna-Kirche in der Altstadt geht auf eine jahrhundertelange Tradition zurück. Pressemeldungen zufolge war ich einer von 30.000 Pilgern, die die ganze Strecke oder Teile davon mitgingen. Die Prozession ist auch eine Manifestation: Es gibt uns! Wir sind da! Zwei Prozent der Bewohner Jerusalems sind Christen, Tendenz abnehmend.
Bei der Messe in der Vaterunserkirche (Eleona) auf dem Ölberg: heftiger Wind, ein kleiner Sandsturm. Deswegen: getrübte Sicht durch den Olivenhain hindurch auf die Stadt und den Tempelberg (al-Haram asch-Scharif).
Ein wunderschöner Text von Charis Doepgen, Benediktinerin der Abtei Kellenried bei Ravensburg, begleitet mich in diesen nachdenklichen Tagen:
Begeisterung
wenn alle jubeln
mitlaufen
wenn das Risiko klein istgenügen nicht –
damals wie heutewenn die Ankläger
das Wort ergreifen
schlägt die Stunde der Wahrheitwo stehe ich dann?
nach dem kreuzweg
nach dem Grab
nach dem Ende
aller Illusionenhat Gott das letzte Wort:
Auferstehung
Mitlaufen – geht immer. Und geht leicht. Mitläufer gibt es viele. Im Blick auf die kommenden Tage und Nächte frage ich mich: Wer bleibt? In diesem Jahr ist die Frage, angesichts der Skandale in der Kirche, doppelt ernst. Vieles ist zum Davonlaufen. Damals wie heute: ein schmaler Grat zwischen »Hosanna« und »Kreuzige ihn!«
Wo stehe ich – danach? Und: Wer hat das letzte Wort? Wem gebe ich das letzte Wort?