Wo gibt’s denn sowas: Osternacht am Samstagmorgen? In Jerusalem – in der Grabeskirche! Das Zauberwort dafür lautet »Status quo«.
Die beiden Franziskaner Heinrich Fürst und Gregor Geiger informieren in ihrem Reiseführer: »1852 verkündete die osmanische Regierung als Provisorium einen Status quo (…), der nichts regelte, sondern verlangte, einstweilen alles zu belassen, wie es ist. Nichts ist dauerhafter als Provisorien! Der Status quo ist, über den Ersten Weltkrieg, das britische Mandat, den Zweiten Weltkrieg und die jordanische Zeit hinweg, bis heute in Geltung und damit die Rechtsgrundlage für das Verhältnis der Konfessionen am Heiligen Grab und an anderen heiligen Stätten. Auch als Israel mit dem Heiligen Stuhl am 30. Dezember 1993 einen völkerrechtlichen Vertrag schloss, wurde der Status quo als Rechtsgrundlage bestätigt.«
Festgelegt ist damit auch – nicht schriftlich, es gelten mündliche Abmachungen (!) –, wann welche Konfession wo (und wie!) Gottesdienst feiert, welchen Weg Prozessionen zu nehmen haben …
Deswegen feierte ich die erste Osternacht am Samstag früh, von 7:30 bis 11 Uhr – dem Proporz zwischen den fünf christlichen Konfessionen in der Grabes- bzw. Auferstehungskirche (Anastasis) geschuldet. Und Anno 2019 vermutlich die erste Osterfeier weltweit, also vor Australien und Neuseeland!
Der Apostolische Administrator, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa OFM, zuvor Kustos des Heiligen Landes und Professor für biblisches Hebräisch und Judaismus am »Studium Biblicum Franciscanum« und am »Studium Theologicum Jerosolymitanum«, stand der Liturgie vor. Mehrere aktive und emeritierte Bischöfe, ein Benediktinerabt sowie der Nuntius und schätzungsweise 80 Priester aus vielen verschiedenen Nationen konzelebrierten. Eine Männergesellschaft! Schön und dramaturgisch sinnvoll: Alle Lesungen wurden gelesen, in unterschiedlichen Sprachen, sonst war alles auf Latein.
Christen aus dem abgeriegelten Gazastreifen konnten nicht an der Ostervigil teilnehmen. Sie erhielten keine Reisegenehmigung. Darauf ging Pizzaballa indirekt ein (»gespalten durch zynisch und politische Kalkulationen«). Ein anderer Satz aus seiner Predigt: »Wir sind das Licht. Es wird kein außerordentlichen Licht von außen kommen.«
Abends, um 21:30 Uhr, meine zweite Osternacht im Paulus-Haus in der Nablus Road: mit einer Pilgergruppe aus Trier. Der Rektor, Monsignore Stephan Wahl, hatte mich eingeladen, die Predigt zu halten. Wir begannen die Lichtfeier auf dem Dach – bei heftigem Wind, aber eindrücklichem Rundblick auf die Altstadt. Der Felsendom und auf Grabeskirche zum Greifen nah!
Das eine Woche dauernde jüdische Pesachfest, das an die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten erinnert, hat am Freitag begonnen. Jerusalem hat sich herausgeputzt!