Im Juli hatte Papst Franziskus die neuen Kardinäle angekündigt, 21 an der Zahl, davon 18 unter 80. Jetzt ist es soweit: Am kommenden Samstag, 30. September, erhalten sie in einem Ordentlichen Konsistorium im Rahmen eines Wortgottesdienstes Ring und Birett.
Danach ziehen sich die neuen Purpurträger mit den anderen Synodenteilnehmern in ein Exerzitienhaus nördlich von Rom zurück, wo sie sich bei Einkehrtagen geistlich auf die anstehende Weltsynode (4. bis 29. Oktober) vorbereiten. Erst am 4. Oktober gibt es die erste gemeinsame Messe mit den neuen und den alten Kardinälen unter Vorsitz des Papstes auf dem Petersplatz, die zugleich der Eröffnungsgottesdienst für die mehrwöchige Synode ist.
Keine Zahlenmystik
119 Kardinäle hätten bis zum 29. September an einem Konklave teilnehmen können. Nun kommen 18 neue Papstwähler dazu. Bis Jahresende scheiden noch weitere fünf Kardinäle altersbedingt aus dem Wahlgremium aus. Damit beträgt die Zahl der wahlberechtigten Kardinäle zum 1. Januar 2024 insgesamt 132. Im Kalenderjahr 2024 erreichen dreizehn Kardinäle das 80. Lebensjahr, womit sich zum 31. Dezember 2024 die Zahl der Wahlmänner – Todesfälle oder andere Umstände nicht mit einberechnet – bei 119, einer weniger als das von Paul VI. festgelegte, immer wieder einmal überschrittene Quorum von 120, einpendeln wird.
Das ist alles keine Zahlenmystik. Es genügt schlicht ein Blick auf die Geburtsjahre der Kardinäle. Schon im Januar 2025 werden die Kardinäle Christoph Schönborn (Österreich) und Philippe Ouédraogo (Burkina Faso) »fällig«. Ihnen folgen im selben Jahr elf weitere Kollegen.
Das Kollegium minimiert sich fortlaufend. Das hat jeder Papst im Blick – so eigenwillig manche Ernennungen auch erscheinen mögen, zumal in den letzten Jahren bisher »gesetzte« Erzbischöfe leer ausgingen. Wie schon einmal gesagt, irritiert Papst Franziskus damit immer wieder, auch wenn jedem klar sein muss, dass der Bischof von Rom völlig frei ist, wen er kreiert und dass er darum »traditionelle« Ernennungen übergehen kann. Kopfschütteln oder »Kommentare« können nicht ausbleiben.
Das Ende der europäischen Dominanz
Deutlich geworden ist seit März 2013, dass Franziskus die europäische Dominanz und besonders das italienische Übergewicht, eine historisch erklärbare Einseitigkeit, sichtlich gebrochen bzw. korrigiert hat. Wer könnte dagegen, die demoskopische Verteilung von Katholiken auf fünf Kontinenten in Rechnung stellend, ernsthaft etwas einzuwenden haben? Wie wird sich das, wie kann sich das bereits auf den Weltbischofssynoden im Oktober 2023 und 2024 auswirken? Man wird sehen.
Sechs der neuernannten Kardinäle sind unter 60. Mit dem Weihbischof von Lissabon, Américo Alves Aguiar, der den Weltjugendtag im August 2023 organisierte und vor kurzem zum Bischof von Setúbal ernannt wurde, zieht ein zweiter Mann ins Wahlkollegium, der unter 50 ist. Giorgio Marengo IMC, Apostolischer Präfekt von Ulanbaatar in der Mongolei und vor wenigen Wochen Gastgeber der 43. Auslandsreise von Papst Franziskus, wurde im August 2022 mit 48 Jahren ernannt, als erster in den 1970er-Jahren geborener Kardinal. Beide werden also drei Jahrzehnte lang in einem allfälligen Konklave mitwählen.
Politische Zeichen
Mit der Ernennung des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa OFM (58), setzte Franziskus ebenfalls ein Zeichen, um nur ein weiteres Beispiel herauszugreifen.
»Die Präsenz eines Kardinals in der Mutterkirche Jerusalem ist die Anerkennung der Bedeutung der heiligen Stadt für die drei abrahamitischen Religionen sowie der Rolle der Kirche im Nahen Osten als Leuchtfeuer der Güte, des Friedens und der Versöhnung«, erklärte der Mediendirektor des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem, Ibrahim Nino, unlängst bei einer Pressekonferenz. Pizzaballa, ehemals Kustos des Heiligen Landes, unterstützt das Anliegen des Außenbeauftragten des Vatikans, Erzbischof Richard Gallagher, Jerusalem einen international garantierten Sonderstatus von der UNO zusprechen zu lassen.
Franziskus wird weiter überraschen und irritieren
Die von Franziskus vorgenommenen Weichenstellungen sind unübersehbar. Im Dezember 2023 vollendet er sein 86. Lebensjahr. Manche sähen ihn, wie er gelegentlich ironisch sagt, am liebsten schon tot.
Andere meinen, italienische und nordamerikanische Kardinäle würden im Hintergrund bereits ein künftiges Konklave vorbereiten. Was dort jedoch, und zuvor im wichtigen Vorkonklave, bei dem auch Kardinäle über 80 teilnehmen können, besprochen und überlegt wird, darf getrost dem Augenblick überlassen bleiben. Auch Kardinäle lernen dazu, wenn es darum geht, ein Profil zu erstellen: Was und wen braucht es jetzt, in dieser Stunde der Kirche?
Eines steht fest: Papst Franziskus wird bis zum Schluss überraschen und irritieren und überraschen und irritieren – der Heilige Geist vielleicht auch. Es muss einem nicht alles gefallen. Aber eine Schocktherapie ist manchmal eine sinnvolle Lösung. Angesprochen auf eine mögliche Reise nach Vietnam, meinte Franziskus auf dem Rückflug von der Mongolei scherzhaft: »Ich bin sicher, dass Johannes XXIV. dorthin reisen wird.«
Eine detaillierte Analyse, was die Verteilung der Kardinäle angeht und welche Signale der Papst damit sendet, liegt von Johannes Schidelko vor: Herder Korrespondenz, Heft 10/2023, S. 20-22.