Wer zwei Bücher über Papst Franziskus veröffentlicht hat wie ich, wird immer wieder gefragt: Glaubst Du immer noch daran, dass sich etwas ändert unter ihm? Dass sich noch etwas ändern kann?

Die Mutmaßungen nehmen zu, je älter Franziskus wird: Alles nur Symbolpolitik! Oder eben: Er hat kapituliert! Der Widerstand aus dem innersten Kreis der Kirche, von Teilen der Römischen Kurie und einzelnen Kardinälen und Bischöfen, wie auch von Katholiken, die sich »päpstlicher als der Papst« geben, ja sogar meinen, »die Kirche« – ihre Kirche! – vor ihm schützen zu müssen, hat ihn zermürbt!

Ich weiß es nicht. Weh tut mir so manche Gehässigkeit, so mancher Kommentar mit der unausgesprochenen Attitüde des Geheimwissens. Verwundern können »treffsichere« Persönlichkeitsanalysen, die eine oder andere »Würdigung«, die sich schon wie ein Nachruf liest. Klar, Franziskus steuert auf seinen 85er zu. Aber: Er wirkt mindestens, trotz aller Strapazen, die das Amt mit sich bringt, trotz der kirchlichen Großwetterlage, oft noch sehr frisch, wach, aufmerksam.

Und er tut sehr wohl was und bewegt sehr wohl was! Mehr, als man gemeinhin sehen will. Aber klein- oder schlechtreden lässt sich jede Rede, jede Predigt, jede Initiative. Und dann ist alles nur Show?

Ist das die Klage von einem, dem sein »Hero« abhanden gekommen ist?

Die Kirche – rettungslos verloren, Reformen – aussichtslos?

Zugegeben: Es gibt Entwicklungen und Vorgänge, die mir nicht gefallen. Texte von Franziskus, die mich neagtiv überraschen. Und er hat mich auch enttäuscht, etwa mit dem Nachsynodalen Schreiben zur Amazonien-Synode. Ich bemühe mich, Erklärungen zu finden, für diese oder jene Entscheidung. Und lese immer noch, was dann ein Antonio Spadaro SJ und andere dazu meinen. Aber ich nehme auch nach wie vor wahr, wie Papst Franziskus an Stellschrauben dreht, etwa wenn er ins Kirchenrecht eingreift und es ändert (z. B. Missbrauch, Laien in der Liturgie).

Widersprüchlichkeiten sind damit nicht vom Tisch. Aber, ja: Ich traue ihm – immer noch und immer wieder! Vielleicht ist das naiv. Und ich bin ein hoffungsvoller Fall. Aber ich bin kein Anhänger der »papolatria«, der Papstanhimmelung.

Selektive Wahrnehmung

Manches, was Franziskus sagt oder tut, geht schlicht und ergreifend unter, weil sich andere Dinge in den Vordergrund schieben. Die Irakreise etwa (5. bis 8. März 2021), ging fast völlig unter, weil parallel dazu ein Dokument der Glaubenskongregation über die Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare erschien, das viel Staub aufwirbelte.

Der in Form eines »Motu proprio« von Franziskus neu eingeführte bzw. aufgewertete Dienst des Katecheten wurde schnell als wirkungslos kommentiert. »Für die Kirche in Deutschland«, so Katechetik-Professor Patrik C. Höring, »wird ähnlich folgenlos bleiben wie die kürzliche Korrektur des Kirchenrechts bei Lektorat und Akolythat, die nun auch für Frauen zugänglich sind. Das war zwar theologisch überfällig und richtig, ändert aber an der Praxis nichts. Diese Dienste werden schon längst von einer Vielzahl von Menschen wahrgenommen – genauso wie der des Katecheten beziehungsweise der Katechetin. Dazu kommt, dass Erzbischof Rino Fisichella bei der Präsentation angedeutet hat, dass dieser formelle Dienst des Katecheten nicht mehr jedem zugänglich sein soll. Da muss man sich schon die Frage stellen, ob man die vielen, die sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren, tatsächlich Knall auf Fall vor die Tür setzen will oder es zukünftig Katecheten erster und zweiter Klasse gibt.«

(Weit mehr als) Bewegungssimulation

Auch hier wieder nur »Bewegungssimulation« (Raoul Löbbert)? Oder nicht doch wieder ein weiterer Schritt in Richtung heilsamer Entklerikalisierung? Die deutsche Brille liest anders als die weltkirchliche. Und ist schnell mit Analysen zur Hand. Schade manchmal! Der Papst: alt, müde, lahm? In diesen Chor will ich nicht einstimmen. Es wird weiter Überraschungen geben, solange er im Amt ist.